Navigation und Service

Handbuch der Rechtsförmlichkeit

Teil D Änderung von Gesetzen

7 Formen der Änderung von Gesetzen

    • Die Form des Mantelgesetzes[37] ermöglicht es, in ein und demselben Rechtsetzungsakt verschiedene Stammgesetze zu ändern, abzulösen, erstmalig zu schaffen oder außer Kraft zu setzen. Die einzelnen Teile des Mantelgesetzes müssen in einem Sachzusammenhang stehen.

      Die Form des Mantelgesetzes ist zu wählen, wenn eine der folgenden komplexen Rechtsänderungen beabsichtigt ist:

      • inhaltlich zusammenhängende Hauptänderungen in mehreren Stammgesetzen, ggf. mit Folgeänderungen und Außerkraftsetzungen,
      • (mindestens) ein neues Stammgesetz oder ein Ablösungsgesetz und Hauptänderungen anderer Stammgesetze, ggf. mit Folgeänderungen und Außerkraftsetzungen,
      • (mindestens) ein neues Stammgesetz mit Folgeänderungen, ggf. mit Außerkraftsetzungen anderer Rechtsvorschriften,
      • ein Ablösungsgesetz mit Folgeänderungen und Außerkraftsetzungen.

      __________

      [37] Hinweis: Mantelgesetze werden wegen der Gliederung in Artikel (Rn. 592) auch „Artikelgesetze“ genannt, was jedoch im Hinblick auf Einzelnovellen, Vertragsgesetze und Einführungsgesetze, die ebenfalls in Artikel gegliedert sind, ungenau ist.

    • Unter einer Überschrift werden die einzelnen Artikel des Mantelgesetzes durch eine gemeinsame Eingangsformel und eine gemeinsame Schlussformel umhüllt („Mantel“ des Mantelgesetzes). In seinen Artikeln kann das Mantelgesetz andere Formen von Gesetzen enthalten. Daher gelten die Empfehlungen für Stammgesetze, Ablösungsgesetze und die Änderungstechnik für Mantelgesetze entsprechend und werden im Folgenden nur noch die Besonderheiten beschrieben.

    • Ein Mantelgesetz kann sich aus den folgenden Gliederungseinheiten zusammensetzen; zwingend notwendige Gliederungseinheiten sind grau markiert:

      • Überschrift bzw. Bezeichnung (Rn. 589),
      • Ausfertigungsdatum (Rn. 49),
      • Eingangsformel (Rn. 50 f.),
      • Regelungsteil mit Artikeln als grundlegender Gliederungseinheit (Rn. 462):
        • Änderungsartikel mit den Untergliederungen: Nummer, Buchstabe, Doppelbuchstabe für Änderungsbefehle; Absatz bei Folgeänderungen,
        • Artikel mit Stammgesetz,
        • Artikel für Grundrechtseinschränkungen
        • Artikel für Evaluierung
        • Artikel für Bekanntmachungserlaubnis
        • Artikel für Geltungszeitregelungen
      • Schlussformel (Rn. 52 f.)
      • Ausfertigungsort, Ausfertigungsdatum, Unterzeichnende (Rn. 54)
      • Anhang (Rn. 526).
    • Mantelgesetze benötigen weder Kurzbezeichnung noch Abkürzung, denn anders als Stammgesetze werden Änderungsgesetze normalerweise in Rechtsvorschriften nicht zitiert. Deshalb genügt als Überschrift eines Mantelgesetzes eine treffende Bezeichnung.

      Die Bezeichnung wird grundsätzlich wie bei einem Stammgesetz gebildet (Rn. 358 ff.).

      Um den Gegenstand des Mantelgesetzes anzugeben, dürfen nicht einfach die Zitiernamen der zu ändernden Gesetze aneinandergereiht werden. Es muss vielmehr eine verallgemeinernde Beschreibung gefunden werden, die Auskunft über den sachlichen Zusammenhang der einzelnen Artikel gibt. Meist lässt sich das Regelungsanliegen bzw. der Zweck des Vorhabens in wenigen Wörtern umreißen.

      Beispiele:

      Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts

      Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union

      Gesetz zur Änderung kraftfahrzeugsteuerlicher und autobahnmautrechtlicher Vorschriften

      Folgeänderungen werden in der Bezeichnung nicht berücksichtigt.

    • Wird ein Mantelgesetz erlassen, um eine Richtlinie der Europäischen Union oder einen Beschluss der Europäischen Union umzusetzen, ist der Bezug zum Recht der Europäischen Union bereits in der Überschrift deutlich zu machen, z. B. durch eine Fußnote an der Überschrift des Mantelgesetzes (Rn. 216).

    • Bezeichnungen von Mantelgesetzen, die ein Sachgebiet in zeitlichen Abständen immer wieder neu regeln, können zur Unterscheidung mit einem Zahlwort beginnen oder mit der Jahreszahl ihres Erlasses enden.

      Beispiele:

      Zweites Gesetz zur Modernisierung der Justiz

      Zweites Gesetz über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums des Innern

      Jahressteuergesetz 2010

      Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2017

    • Das Mantelgesetz wird in Artikel untergliedert, die fortlaufend nummeriert werden. Für die Zählbezeichnung der Artikel sind arabische Ziffern zu verwenden (z. B. Artikel 3).

      Es ist grundsätzlich für jedes Stammgesetz ein eigener Artikel zu bilden, ganz gleich, ob das Stammgesetz geändert, ob es abgelöst oder erstmals erlassen wird. Eine Ausnahme bildet die Mehrfachänderung eines Stammgesetzes (Rn. 539 ff.). Eine weitere Ausnahme betrifft Folgeänderungen (Rn. 528 ff.), die in einem Artikel zusammengefasst werden dürfen.

      Die Reihenfolge der einzelnen Artikel soll der Gliederung im Fundstellennachweis A (Rn. 23) folgen. Eine andere Reihenfolge kann in Betracht kommen, wenn einzelne Teile des Mantelgesetzes eine herausgehobene Bedeutung haben.

    • Dem ersten Artikel eines Mantelgesetzes kann eine Inhaltsübersicht insbesondere dann vorangestellt werden, wenn es so umfangreich ist, dass eine Inhaltsübersicht die Orientierung im Mantelgesetz erleichtert. Die Inhaltsübersicht gibt die Überschriften aller Artikel und ggf. vorhandener Anhänge wieder.

    • Jeder Artikel eines Mantelgesetzes muss eine Überschrift haben. Die sonstige Gestaltung des Artikels hängt vom Inhalt ab:

      • Der Artikel enthält ein vollständiges Stammgesetz:
        Die Überschrift des Stammgesetzes ist zugleich die Artikelüberschrift. Der Artikelaufbau entspricht dem eines Stammgesetzes (Teil C), jedoch ohne eigenes Ausfertigungsdatum, ohne eigene Eingangsformel, ohne eigene Inkrafttretensvorschrift und ohne eigene Schlussformel. Es ist darauf zu achten, dass die Überschrift des Mantelgesetzes nicht mit der Überschrift des enthaltenen Stammgesetzes identisch ist.
      • Der Artikel enthält Hauptänderungen eines Stammgesetzes:
        Die Überschrift nennt den Zweck „Änderung“ und im Genitiv den Zitiernamen des zu ändernden Gesetzes.
        Der Artikelaufbau folgt den Vorgaben zur Änderungstechnik.

        Beispiel 1:

        Artikel 1
        Änderung des Arzneimittelgesetzes

      • Der Artikel fasst Folgeänderungen in anderen Rechtsvorschriften zusammen:
        Die Überschrift muss erkennen lassen, dass es um Anpassungen an die geänderte Rechtslage geht.

        Beispiele 2:

        Folgeänderungen

        Änderungen anderer Rechtsvorschriften

        Änderungen sonstiger sozial- und leistungsrechtlicher Gesetze

      Der Artikelaufbau folgt den Vorgaben zur Änderungstechnik für Folgeänderungen (Rn. 528 ff.), d. h., der Artikel wird in Absätze gegliedert, der die zu ändernden Rechtsvorschriften in der Reihenfolge der Gliederungsnummern im Fundstellennachweis A abhandelt.

    • Der Inkrafttretenszeitpunkt in den Geltungszeitregelungen bestimmt den Beginn der Wirksamkeit des Mantelgesetzes. Zum jeweils angegebenen Zeitpunkt

      • wird ein ggf. enthaltenes Stammgesetz als eigenständiges Gesetz wirksam und
      • werden die in den Änderungsartikeln enthaltenen Änderungsbefehle, die sich auf andere Stammgesetze beziehen, im jeweiligen Stammgesetz vollzogen.

      Auch das Außerkrafttreten ganzer Stammgesetze und -verordnungen kann ausnahmsweise in einem Artikel des Mantelgesetzes mit der Überschrift „Außerkrafttreten“ festgelegt werden. Abweichend von dem Grundsatz, dass ein zukünftiges Außerkrafttreten eines Stammgesetzes in diesem selbst stehen soll (Rn. 445 f.), ist ein Artikel zum Außerkraftsetzen von Stammgesetzen und -verordnungen dann vorzusehen, wenn das Außerkraftsetzen durch andere im Mantelgesetz enthaltene Regelungen veranlasst ist und die betreffenden Stammgesetze und -verordnungen am Tag nach der Verkündung des Mantelgesetzes oder ausnahmsweise rückwirkend wegfallen sollen (Rn. 601).

      Für die Befristung von im Mantelgesetz enthaltenen Stammgesetzen, die nachträgliche Befristung von geltenden Stammgesetzen und die Befristung einzelner Regelungen sind weitere rechtsförmliche Regeln zu beachten (Rn. 602).

    • Standort der Inkrafttretensregelung für alle Artikel des Mantelgesetzes ist der letzte Artikel des Mantelgesetzes.

      Die Überschrift des letzten Artikels des Mantelgesetzes lautet „Inkrafttreten“.

      Der Aufbau des Artikels mit der Inkrafttretensregelung des Mantelgesetzes entspricht den allgemeinen Vorgaben in Teil B (Rn. 147 ff.). Hier sind in Abhängigkeit von den festzulegenden Zeitpunkten verschiedene Gestaltungen – etwa gesonderte Sätze, Absätze und Aufzählungen – möglich.

    • Aus der Inkrafttretensregelung muss sich für jeden Artikel des Mantelgesetzes eindeutig der Tag des Inkrafttretens ergeben. Für dessen Festlegung und Formulierung gelten die allgemeinen Empfehlungen in Teil B (Rn. 147 ff.).

    • Bei Mantelgesetzen kommt häufig ein gespaltenes Inkrafttreten (Rn. 171 ff.) in Betracht. Bei der Formulierung einer Inkrafttretensvorschrift mit vielen verschiedenen Wirksamkeitszeitpunkten ist auf Übersichtlichkeit sowie auf die genaue Bezeichnung derjenigen Teilmenge von Vorschriften zu achten, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in Kraft treten soll. Innerhalb des Artikels, der die Inkrafttretensvorschrift enthält, können die Teilmengen jeweils in gesonderten Absätzen, Sätzen oder in einer nummerierten Aufzählung stehen.

      Beispiel 1:

      Artikel 10
      Inkrafttreten

      (1) Dieses Gesetz tritt vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 am Tag nach der Verkündung in Kraft.

      (2) Die Artikel 7 bis 9 treten am 1. Juli 2018 in Kraft.

      (3) Die Artikel 3 und 4 treten am 1. Januar 2019 in Kraft.

      Wenn ausnahmsweise einzelne Änderungsbefehle eines Artikels zu einem abweichenden Zeitpunkt in Kraft treten sollen, etwa, weil damit Verordnungsermächtigungen geschaffen oder geändert werden (Rn. 173 bzw. 443), sind diese konkret zu bezeichnen.

      Beispiel 2:

      Artikel 10
      Inkrafttreten

      (1) Dieses Gesetz tritt vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 am Tag nach der Verkündung in Kraft.

      (2) Am 1. Juli 2023 treten in Kraft:

      1. Artikel 2 Nummer 7,

      2. Artikel 5 Nummer 2 und

      3. die Artikel 7 bis 9.

      (3) Die Artikel 3 und 4 treten am 1. Januar 2024 in Kraft.

    • Soll das Inkrafttreten ausnahmsweise von einer Bedingung abhängen, so sind die diesbezüglichen Empfehlungen des Teils B (Rn. 169 ff.) zu beachten.

    • Sollen Vorschriften ausnahmsweise rückwirkend in Kraft treten, so sind die diesbezüglichen Empfehlungen des Teils B (Rn. 175 ff.) zu beachten.

    • Abweichend vom Grundsatz, dass ein künftiges Außerkrafttreten ganzer Stammgesetze und Stammverordnungen aus diesen selbst ersichtlich sein soll (Rn. 554), werden Stammgesetze und -verordnungen ausnahmsweise in einem gesonderten Artikel des Änderungsgesetzes unter der Überschrift „Außerkrafttreten“ außer Kraft gesetzt, wenn sie aus Anlass der im Mantelgesetz getroffenen Regelungen am Tag nach der Verkündung des Mantelgesetzes oder ausnahmsweise rückwirkend wegfallen sollen.

      Dieser Artikel steht vor der Inkrafttretensregelung des Änderungsgesetzes. In der Außerkrafttretensregelung sind die wegfallenden Stammgesetze bzw. Stammverordnungen mit ihren jeweiligen Vollzitaten anzugeben, d. h. mit dem Zitiernamen, dem Datum der Ausfertigung oder Bekanntmachung, der Fundstelle und ggf. dem Änderungshinweis (Rn. 55).

      Beispiel:

      Artikel 20
      Außerkrafttreten

      Am Tag nach der Verkündung dieses Gesetzes treten außer Kraft:

      1. das Gesetz über ... vom … (BGBl. I S. …), das zuletzt durch Artikel … des Gesetzes vom … (BGBl. I S. …) geändert worden ist,
      2. das Gesetz über ... vom … (BGBl. I S. …), das zuletzt durch Artikel … des Gesetzes vom … (BGBl. I S. …) geändert worden ist,

      Artikel 21
      Inkrafttreten

      Dieses Gesetz tritt vorbehaltlich des Satzes 2 am Tag nach der Verkündung in Kraft. Die Artikel 1 bis 12 und 15 bis 17 treten am 1. April 2023 in Kraft.

      Hinweis:

      Soll ein Stammgesetz bzw. eine Stammverordnung später als am Tag nach der Verkündung des Mantelgesetzes außer Kraft treten, so wird dem Stammgesetz bzw. der Stammverordnung durch einen Änderungsartikel des Mantelgesetzes eine Außerkrafttretensregelung hinzugefügt (Rn. 554).

      Änderung gegenüber der Vorauflage:

      Nach der Vorauflage des Handbuchs wurde das Außerkrafttreten ganzer Stammgesetze und Stammverordnungen nicht einheitlich gehandhabt. Die uneinheitliche Handhabung führte oft zu Unklarheiten, die durch die künftige strikte Trennung von Inkrafttretens- und Außerkrafttretensregelungen vermieden werden (siehe auch Hinweis zur Änderung gegenüber der Vorauflage nach Rn. 554).

    • Vorschriften zum Inkrafttreten eines im Mantelgesetz enthaltenen Stammgesetzes (Erstregelung oder Ablösung) stehen im letzten Artikel des Mantelgesetzes.

      Sollen einzelne Vorschriften eines im Mantelgesetz enthaltenen Stammgesetzes früher (etwa Verordnungsermächtigungen) oder später als andere in Kraft treten, so werden sie unter Angabe des Zitiernamens des Stammgesetzes im letzten Artikel des Mantelgesetzes mit ihrem jeweiligen Inkrafttretensdatum genannt.

      Beispiel:

      Gesetz zur Modernisierung des …

      Vom …

      Artikel 1
      Gesetz über den Verkehr mit …

      § 1

      Artikel 5
      Inkrafttreten

      Dieses Gesetz tritt vorbehaltlich des Satzes 2 am 1. Januar 2025 in Kraft. In Artikel 1 treten § 17 Absatz 3 und § 19 des Gesetzes über den Verkehr mit … am Tag nach der Verkündung und § 24 des Gesetzes über den Verkehr mit … am 1. Juni 2025 in Kraft.

      Vorschriften zum Außerkrafttreten eines im Mantelgesetz enthaltenen Stammgesetzes, d. h. zu dessen Befristung schon bei erstmaliger Regelung (sog. anfängliche Befristung) müssen im Stammgesetz selbst enthalten sein (Rn. 445).

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Das Bundesministerium der Justiz verwendet für den Betrieb dieser Internetseite technisch notwendige Cookies. Darüber hinaus können Sie Cookies für eine Webanalyse zulassen, die uns die Bereitstellung unserer Dienste erleichtern. Weitere Informationen dazu, insbesondere zu der Widerrufsmöglichkeit, erhalten Sie über den folgenden Link: Datenschutz