Ein völkerrechtlicher Vertrag bedarf nach Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative des Grundgesetzes insbesondere dann der Zustimmung oder der Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften, wenn er
- Rechte und Pflichten für den Einzelnen begründet,
- Bestimmungen enthält, deren Durchführung die Mitwirkung des formellen Bundes- oder Landesgesetzgebers erforderlich macht,
- Bestimmungen enthält, mit denen die gegenwärtige innerstaatliche Gesetzeslage bereits übereinstimmt (sog. Parallelabkommen: durch die Vereinbarung entsteht die völkerrechtliche Verpflichtung, diese Gesetzeslage aufrechtzuerhalten),
- finanzielle Verpflichtungen – über bloße haushaltsmäßige Auswirkungen hinaus – enthält, die nach den finanzverfassungsrechtlichen Regelungen des Grundgesetzes eine gesetzliche Regelung erfordern (vgl. z. B. Artikel 115 des Grundgesetzes),
- einen bestehenden Vertrag, der Gegenstand eines Vertragsgesetzes war, ändert oder ergänzt.
Der Zustimmung oder Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften bedarf ein völkerrechtlicher Vertrag nicht, wenn der Gesetzgeber seine Zustimmung zu der Änderung oder Ergänzung bereits vorweg – antizipiert – erteilt hat. Eine antizipierte Zustimmung kann durch eine Verordnungsermächtigung erteilt werden (Rn. 762 f. bzw. 782 ff.). Von einer antizipierten Zustimmung kann auch dann ausgegangen werden, wenn die konkrete Änderung keinen normativen Charakter hat und sie nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bereits in einem im ursprünglichen Vertrag vorgesehenen Verfahren zur Vertragsänderung angelegt war.
Eines Vertragsgesetzes bedarf es nicht, wenn der völkerrechtliche Vertrag aufgrund einer ausreichenden auslandsbezogenen Verordnungsermächtigung nach Artikel 80 Absatz 1 des Grundgesetzes innerstaatlich in Kraft gesetzt werden kann (vgl. Rn. 782 ff.).