Navigation und Service

Handbuch der Rechtsförmlichkeit

Teil D Änderung von Gesetzen

7 Formen der Änderung von Gesetzen

    • Das Ablösungsgesetz ist eine Form des Mantelgesetzes, mit der ein geltendes Stammgesetz durch ein neues Stammgesetz ersetzt wird, das im Wesentlichen die gleichen Sachverhalte regelt. Die Form des Ablösungsgesetzes ist eine Alternative zur Änderung eines Gesetzes mittels Änderungstechnik (Rn. 456), die immer dann zu wählen ist, wenn die zu verändernden Textteile des bestehenden Stammgesetzes die unveränderten überwiegen.

      Mit dem Ablösungsgesetz wird in einem Artikel des Mantelgesetzes das neue (ablösende) Stammgesetz erlassen und in einem weiteren Artikel wird das bisherige (abzulösende) Stammgesetz außer Kraft gesetzt. Die Ablösung wird durch das gleichzeitige Inkrafttreten beider Artikel bewirkt, das im Schlussartikel des Ablösungsgesetzes vorgesehen wird. Diese Form der Rechtsetzung wird auch als konstitutive Neufassung eines Gesetzes bezeichnet.

      Weil es als Stammgesetz formuliert ist, wird aus dem ablösenden Gesetz nicht ersichtlich, was gegenüber dem abgelösten Stammgesetz geändert worden ist und was unverändert bleibt. Diese Informationen lassen sich allein der Begründung des Gesetzentwurfs entnehmen (§ 42 Absatz 1 Satz 1 und § 43 GGO).

    • Ein Ablösungsgesetz kann sich aus folgenden Gliederungseinheiten zusammensetzen; zwingend notwendige Gliederungseinheiten dieser Form des Mantelgesetzes sind grau markiert:

      • Überschrift bzw. Bezeichnung (Rn. 605),
      • Ausfertigungsdatum (Rn. 49),
      • Eingangsformel (Rn. 50 f.),
      • Regelungsteil mit Artikeln als grundlegender Gliederungseinheit (Rn. 462):
        • Artikel mit neuem Stammgesetz,
        • ggf. Änderungsartikel mit den Untergliederungen: Nummer, Buchstabe, Doppelbuchstabe für Änderungsbefehle; Absatz bei Folgeänderungen,
        • Artikel für Bekanntmachungserlaubnis,
        • Artikel für Außerkrafttreten des bisherigen Stammgesetzes,
        • Artikel für Inkrafttretensregelung,
      • Schlussformel (Rn. 52 f.),
      • Ausfertigungsort, Ausfertigungsdatum, Unterzeichnende (Rn. 54),
      • Anhang (Rn. 526).
    • Die Bezeichnung des Ablösungsgesetzes soll nicht identisch sein mit der Bezeichnung des enthaltenen Stammgesetzes. Das neue (ablösende) Stammgesetz hat oft dieselbe Bezeichnung wie das bisherige (abzulösende) Gesetz. Der grundsätzlich zu beachtende Gesichtspunkt, dass die Bezeichnung ein Stammgesetz von anderen Stammgesetzen abgrenzen muss (Rn. 358), spielt hier keine Rolle, weil das neue Stammgesetz an die Stelle des bisherigen tritt und sich die beiden Gesetze anhand des jeweiligen Ausfertigungsdatums und der jeweiligen Fundstelle im Bundesgesetzblatt unterscheiden lassen.

      Beispiel:

      Gesetz zur Neuregelung des Mutterschutzrechts

      Vom …

      Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:

      Artikel 1
      Gesetz zum Schutz von Müttern bei der Arbeit, in der Ausbildung und im Studium
      (Mutterschutzgesetz – MuSchG)

      § 1

      Artikel 10
      Außerkrafttreten

      Das Mutterschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Juni 2002 (BGBl. I S. 2318), das zuletzt durch … geändert worden ist, tritt am 1. Januar 2018 außer Kraft.

       

      Artikel 11
      Inkrafttreten

      Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2018 in Kraft.

      Die amtliche Abkürzung des abzulösenden Stammgesetzes sollte für das neue Stammgesetz beibehalten werden.

      Praxistipp

      Der Abkürzung des neuen Stammgesetzes, die juris für das Verweisungssystem in der Datenbank des Bundesrechts bildet, wird die Jahreszahl seines Inkrafttretens angehängt, sodass die Gesetze bei Recherchen zu ihrer Historie gut zu unterscheiden sind.

    • Wird ein Ablösungsgesetz erlassen, um eine Verordnung der Europäischen Union durchzuführen oder eine Richtlinie der Europäischen Union oder einen Beschluss der Europäischen Union umzusetzen, ist der Bezug zum Recht der Europäischen Union bereits in der Überschrift deutlich zu machen, z. B. durch eine Fußnote an der Überschrift des neuen Stammgesetzes (Rn. 216).

    • Die konstitutive Neufassung durch ein Ablösungsgesetz ist – über das originäre Änderungspensum hinaus – für weitere Verbesserungen, insbesondere in sprachlicher und rechtssystematischer Hinsicht, zu nutzen.

      Wenn aufgehobene Regelungen des abgelösten Gesetzes übergangsweise weiter angewendet werden sollen, so sind die dafür ggf. erforderlichen Übergangsvorschriften in die Schlussvorschriften des neuen Stammgesetzes aufzunehmen. In der Übergangsvorschrift wird auf die maßgebliche Fassung der abgelösten Vorschrift statisch Bezug genommen; das ist in der Regel das Vollzitat des bisherigen Stammgesetzes. Für Übergangsvorschriften, insbesondere die Möglichkeiten der Formulierung, gelten im Übrigen die Empfehlungen für Übergangsvorschriften im Stammgesetz (Rn. 421 ff.).

      Muster:

      § X
      Übergangsregelung aus Anlass des Gesetzes über …

      Auf Anträge, die bis einschließlich … [einsetzen: Datum des Tages vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes nach Artikel …] gestellt sind, sind die §§ Y und Z des … [Vollzitat des abgelösten Gesetzes] in der bis einschließlich … geltenden Fassung weiter anzuwenden.

    • Wenn das neue (ablösende) Stammgesetz Folgeänderungen (Rn. 528 ff.) in anderen Rechts-vorschriften erfordert, werden diese in einem oder mehreren Artikeln des Ablösungsgesetzes vorgenommen (Rn. 586 ff.). Die zu ändernden Gesetze sind darin in der Reihenfolge der Glie-derungsnummern des Fundstellennachweises A (Rn. 23) anzugeben.

    • Es ist sorgfältig zu prüfen, ob in anderen Rechtsvorschriften auf das abzulösende Stammgesetz verwiesen wird. Mithilfe der Datenbank des Bundesrechts juris können solche Vorschriften in anderen Gesetzen und Rechtsverordnungen, ggf. auch mithilfe des Rechercheservices der Normendokumentation des Bundesamtes für Justiz, leicht ermittelt werden. Diese Vorschriften müssen einzeln darauf überprüft werden, ob die Verweisungen inhaltlich noch richtig und die Zitate zutreffend sind oder ob sie angepasst werden müssen.

      Muss in den Folgeänderungen das neue Stammgesetz mit dem Vollzitat angegeben werden, so ist anstelle des Ausfertigungsdatums und der Fundstelle ein Einsetzungsbefehl vorzusehen.

      Beispiel:

      § … Absatz 2 wird durch den folgenden Absatz 2 ersetzt:

      „(2)  Anträge nach § … des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes vom … [einsetzen: Ausfertigungsdatum und Fundstelle dieses Gesetzes] werden …“

    • Das Ablösungsgesetz enthält stets einen eigenen Artikel zum Außerkrafttreten des bisherigen (abzulösenden) Stammgesetzes mit der Überschrift „Außerkrafttreten“. Das abzulösende Stammgesetz wird mit dem Vollzitat angegeben (Rn. 55 ff.), d. h. mit seinem Zitiernamen, seinem Datum der Ausfertigung oder Bekanntmachung und seiner Fundstelle sowie ggf. einem Änderungshinweis.

      Beispiel:

      Artikel 2
      Außerkrafttreten

      Das Filmförderungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. August 2004 (BGBl. I S. 2277), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3082) geändert worden ist, tritt am 1. Januar 2023 außer Kraft.

      Artikel 3
      Inkrafttreten

      Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2023 in Kraft.

      Ersetzt das Ablösungsgesetz mehrere Stammgesetze, so müssen sie alle in der Regelung über das Außerkrafttreten entsprechend aufgeführt werden.

      Soll die Ablösung zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen, ist eine Vorschrift zum späteren Außerkrafttreten (Befristung) in das abzulösende Stammgesetz einzufügen (Rn. 554).

      Änderung gegenüber der Vorauflage:

      Nach der Vorauflage des Handbuchs wurde ein Ablösungsgesetz grundsätzlich in der Form eines Stammgesetzes erlassen, dessen Inkrafttreten mit dem Außerkrafttreten des bisherigen Stammgesetzes in einem Schlussparagrafen verbunden wurde. Ein Mantelgesetz war nur vorzusehen, wenn zusätzlich Änderungen in anderen Gesetzen oder Verordnungen erforderlich waren. Nunmehr ist das Ablösungsgesetz eine Form des Mantelgesetzes, in dem – wie bei allen Gesetzen (Rn. 158) – das Inkrafttreten nicht mehr mit dem Außerkrafttreten verbunden werden darf. Somit enthält ein Ablösungsgesetz mindestens drei Artikel: den Artikel mit dem neuen Stammgesetz, den Artikel über das Außerkrafttreten des bisherigen Stammgesetzes und den Artikel über das Inkrafttreten des Ablösungsgesetzes.

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Das Bundesministerium der Justiz verwendet für den Betrieb dieser Internetseite technisch notwendige Cookies. Darüber hinaus können Sie Cookies für eine Webanalyse zulassen, die uns die Bereitstellung unserer Dienste erleichtern. Weitere Informationen dazu, insbesondere zu der Widerrufsmöglichkeit, erhalten Sie über den folgenden Link: Datenschutz