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Handbuch der Rechtsförmlichkeit

Teil E Rechtsverordnungen

2 Eingangsformeln von Rechtsverordnungen

    • Mit der Eingangsformel wird das Zitiergebot aus Artikel 80 Absatz 1 Satz 3 des Grundgesetzes erfüllt, das die Angabe der Rechtsgrundlage verlangt. Die Angabe der Rechtsgrundlage dient der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Verordnung. Wird das Zitiergebot missachtet, kann die Verordnung für nichtig erklärt werden.

      Die Angaben der Eingangsformel müssen vollständig und möglichst präzise sein und es ermöglichen, die maßgebliche Fassung der angegebenen Rechtsgrundlage aus dem Bundesgesetzblatt zu ermitteln.

      Die Eingangsformel der Rechtsverordnung gehört nicht zum Regelungstext und kann nicht Gegenstand von Änderungsbefehlen sein. Eine bei Erlass der Verordnung fehlende Angabe kann also nicht durch eine Ergänzung der Eingangsformel nachgeholt werden.

    • Als Rechtsgrundlage der Verordnung werden in der Eingangsformel alle Einzelvorschriften genannt, die zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung die maßgebende Verordnungsermächtigung bilden (Rn. 395). Den Kern der Verordnungsermächtigung bildet die Einzelvorschrift, die unter ausdrücklicher Verwendung des Wortes „Rechtsverordnung“ nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bestimmte Regelungsbefugnisse auf die Exekutive überträgt (Ermächtigungsnorm).

      Enthält eine Ermächtigungsnorm alle für den Erlass der Rechtsverordnung erforderlichen Festlegungen, so ist sie die alleinige Rechtsgrundlage einer Rechtsverordnung.

      Zur Verordnungsermächtigung können außerdem Einzelvorschriften gehören, die die Ermächtigungsnorm ergänzen oder ausgestalten (Rn. 395 f.). Wird eine Rechtsverordnung auch auf diese ergänzenden oder ausgestaltenden Einzelvorschriften gestützt, so sind sie neben der Ermächtigungsnorm in der Eingangsformel zu nennen.

      Andere als ergänzende oder ausgestaltende Einzelvorschriften, auf die die Ermächtigungsnorm durch eine Verweisung ausdrücklich Bezug nimmt, werden in der Eingangsformel nicht genannt.

      Beispiel:

      Ermächtigungsnorm (§ 9d Absatz 1 Satz 1 des Adoptionsvermittlungsgesetzes):

      (1) Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über … die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoptionsvermittlung nach § 2a Absatz 5 und 6 … zu regeln.

      Die Eingangsformel der aufgrund dieser Ermächtigungsnorm erlassenen Rechtsverordnung führt den grau markierten Paragrafen nicht auf, sondern lautet:

      Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend verordnet aufgrund des § 9d Absatz 1 Satz 1 des Adoptionsvermittlungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Juni 2021 (BGBl. I S. 2010) im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz:

    • Die Vorschriften, die die maßgebende Verordnungsermächtigung bilden, sollen möglichst präzise angegeben werden (z. B. Absatz, Satz, Nummer, Buchstabe, Doppelbuchstabe).

      Beispiel:

      Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft verordnet aufgrund des § 6 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 Buchstabe d, Nummer 8, 9 Buchstabe a und b, Nummer 10 Buchstabe a und c, Nummer 11 Buchstabe a bis c, Nummer 12 bis 17 Buchstabe a, Nummer 18, 18a, 20, 21, 23, 25, 28 bis 28c und 29 und Absatz 6 Satz 4 des Tiergesundheitsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. November 2018 (BGBl. I S. 1938), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 21. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2852) geändert worden ist:

      Wenn alle Untergliederungen eines Paragrafen in Anspruch genommen werden, so genügt es, in der Eingangsformel den Paragrafen zu nennen. Entsprechendes gilt für die zusammenfassende Nennung von untergliederten Absätzen, Sätzen oder Nummern, wenn alle deren Untergliederungen in Anspruch genommen werden.

    • Die Rechtsgrundlage ist mit dem Vollzitat des Stammgesetzes (Rn. 55) nach dem folgenden Muster anzugeben:

      Muster:

      Das/Die/Der … [Verordnungsgeber] ... verordnet aufgrund des § … [Ermächtigungsnorm und ggf. ergänzende oder ausgestaltende Vorschriften] des … [Vollzitat des ermächtigenden Stammgesetzes]:

      Über das Vollzitat lässt sich die maßgebliche Fassung der angegebenen Rechtsgrundlage (Rn. 634) stets zweifelsfrei ermitteln.

      Muss ein Stammgesetz in der Eingangsformel mehrfach unter verschiedenen Aspekten (etwa wegen unterschiedlicher Beteiligungspflichten) genannt werden, genügt das Vollzitat bei der ersten Nennung.

      Änderung gegenüber der Vorauflage:

      Nach der Vorauflage des Handbuchs war zu jeder in der Eingangsformel genannten Norm, deren geltende Fassung auf einer Änderung, Einfügung oder Neufassung nach der letzten Volltextveröffentlichung des Stammgesetzes beruht, ein Änderungshinweis anzugeben. Dafür musste jeweils die entsprechende Stelle des ändernden Gesetzes genau angegeben werden. Die Änderungshinweise führten zu oft sehr unübersichtlichen Eingangsformeln.

      Diese Vorgabe entfällt, da sich die zum Zeitpunkt des Erlasses einer Verordnung geltende Fassung zu jeder in der Eingangsformel genannten Ermächtigungsnorm bzw. ergänzenden oder ausgestaltenden Vorschrift anhand des Vollzitats des Gesetzes ermitteln lässt.

    • Bis zum Erlass einer Verordnung muss immer wieder kontrolliert werden, ob die Rechtsgrundlage der Verordnung vollständig und präzise angegeben ist. Das ist besonders wichtig, wenn sich der Inhalt der Verordnung im Prozess der Ausarbeitung noch ändert oder das ermächtigende Gesetz geändert wird.

      Die in der Eingangsformel angegebenen Vorschriften müssen zudem am Tag der Ausfertigung der Verordnung nicht nur verkündet, sondern auch schon bzw. noch in Kraft sein, denn gemäß § 66 Absatz 1 GGO darf eine Verordnung erst ausgefertigt werden, nachdem die ermächtigende Gesetzesbestimmung in Kraft getreten ist. Maßgeblich ist somit auch ausschließlich der Text der Rechtsgrundlage, der am Tag der Ausfertigung der Verordnung gilt. Wird die Verordnung erlassen, obwohl die angegebene Rechtsgrundlage ganz oder teilweise nicht in Kraft ist, führt dies zur Nichtigkeit der Verordnung.

      Es ist daher bereits bei der Vorbereitung einer Verordnung wichtig, sie immer wieder an der geltenden bzw. an der künftigen Rechtsgrundlage zu messen. Dies gilt besonders, wenn parallel zu einem Gesetzgebungsvorhaben bereits Verordnungen zur Ausführung der gesetzlichen Regelungen vorbereitet werden.

      Ob die Rechtsgrundlage zum maßgeblichen Zeitpunkt in Kraft ist, ist anhand des Vollzitats des ermächtigenden Gesetzes oder – bequemer – mithilfe der Bundesrechtsdatenbank zu ermitteln.

      Praxistipp

      Um sicherzustellen, dass jede Regelung der Verordnung von der in der Eingangsformel angegebenen Rechtsgrundlage gedeckt ist, sollte die Begründung zu jeder einzelnen Vorschrift die dafür jeweils relevante Ermächtigungsnorm konkret nennen. Bei komplexen Ermächtigungsnormen sollte der konkret in Anspruch genommene Regelungsaspekt genannt werden.
      So kann während der Ausarbeitung der Regelungen, aber auch im Zuge der Mitprüfung des Entwurfs durch andere Ressorts bzw. der Rechtsprüfung des Bundesjustizministeriums überprüft werden, ob sich die einzelnen Vorschriften auf die angegebenen Rechtsgrundlagen stützen lassen und ob die Rechtsgrundlagen in der Eingangsformel vollständig zitiert werden. Dieses Zusammenspiel von Regelungstext und Begründung ist besonders hilfreich bei Verordnungen, die auf mehrere Ermächtigungsnormen gestützt werden, sowie bei umfangreichen Stammverordnungen.

    • In der Eingangsformel der Verordnung wird der Verordnungsgeber angegeben, der in der Verordnungsermächtigung als Ermächtigungsadressat benannt ist. Sind in der Verordnungsermächtigung mehrere Verordnungsgeber zum gemeinsamen Erlass der Verordnung ermächtigt (Rn. 398), sind diese anzugeben.

      Ist ein Ermächtigungsadressat nicht unmittelbar der Ermächtigungsnorm zu entnehmen, sondern in einer weiteren Vorschrift des ermächtigenden Gesetzes genannt, so muss diese Vorschrift als Teil der Rechtsgrundlage zusätzlich in der Eingangsformel angegeben werden. Wurde beispielsweise das zuständige Bundesministerium entgegen Rn. 399 in einer Ermächtigungsnorm nicht mit seiner amtlichen Bezeichnung angegeben, sondern etwa nur mit der Bezeichnung „Bundesministerium“, dann muss in der Eingangsformel auch diejenige Vorschrift genannt werden, die die amtliche Bezeichnung des Ermächtigungsadressaten enthält.

      Wurde die Zuständigkeit oder die Bezeichnung eines ermächtigten Bundesministeriums aufgrund eines Organisationserlasses verändert, so ist Rn. 641 zu beachten.

    • Eine Sammelverordnung konzentriert Verordnungsvorhaben mehrerer Bundesministerien in einer Mantelverordnung (Rn. 665 ff.). Sie wird aufgrund verschiedener Verordnungsermächtigungen erlassen und setzt voraus, dass zwischen den in den verschiedenen Rechtsverordnungen zu erlassenden Regelungen ein sachlicher Zusammenhang besteht.

      Praxistipp

      Sammelverordnungen haben den Nachteil, dass in der Eingangsformel nicht deutlich erkennbar ist, welcher Verordnungsgeber für welche Teile der Sammelverordnung verantwortlich ist.
      Das gilt umso mehr, wenn die Sammelverordnung teils auf eine Ermächtigung der Bundesregierung, teils auf die eines Bundesministeriums gestützt werden soll und somit auch die Teile der Sammelverordnung, die auf einer Ermächtigung eines Ministeriums beruhen, vom Kabinett beschlossen werden.
      Je komplexer die anzugebenden Rechtsgrundlagen sind, desto schwieriger wird die Überprüfung, welche Regelungen der Mantelverordnung von welcher Ermächtigung gedeckt sind.
      Deshalb sollte auf Sammelverordnungen verzichtet werden; jeder Verordnungsgeber sollte nur im Rahmen seiner Ermächtigung eine Verordnung erlassen. Ein ggf. erforderliches Zusammenspiel der Regelungen mehrerer zu erlassender Verordnungen kann durch eine gute Abstimmung und Verfahrensplanung aller beteiligter Stellen erreicht werden.

    • Durch einen Organisationserlass des Bundeskanzlers oder der Bundeskanzlerin können die Zuständigkeiten der Bundesministerien neu geordnet und amtliche Bezeichnungen der Bundesministerien geändert werden.

      Das Zuständigkeitsanpassungsgesetz regelt, dass die in Gesetzen oder in Rechtsverordnungen bislang zugewiesenen Zuständigkeiten auf die nach dem Organisationserlass zuständige oberste Bundesbehörde übergehen. Ändert sich durch einen Organisationserlass nur die Bezeichnung eines Ministeriums, berührt dies nicht die ihm zugewiesenen Zuständigkeiten (§ 1 Absatz 1 und 2 des Zuständigkeitsanpassungsgesetzes).

      Der Text bestehender Verordnungsermächtigungen und Beteiligungsvorschriften kann später durch Änderungsgesetz oder durch eine Zuständigkeitsanpassungsverordnung des Bundesjustizministeriums geändert werden (§ 2 des Zuständigkeitsanpassungsgesetzes).

      Solange der Text der Verordnungsermächtigungen noch nicht angepasst worden ist, muss die Eingangsformel der Verordnung auf die Veränderungen hinweisen. Bei Zuständigkeitsänderungen gehören § 1 Absatz 1 des Zuständigkeitsanpassungsgesetzes und der entsprechende Organisationserlass zur Rechtsgrundlage der Verordnung und werden in der Eingangsformel angegeben. Bei Bezeichnungsänderungen sind § 1 Absatz 2 des Zuständigkeitsanpassungsgesetzes und der entsprechende Organisationserlass anzugeben.

      Muster:

      Das Bundesministerium ... [o a. Verordnungsgeber] verordnet aufgrund des § ... des … [Vollzitat des ermächtigenden Stammgesetzes] in Verbindung mit § 1 Absatz 2 des Zuständigkeitsanpassungsgesetzes vom 16. August 2002 (BGBl. I S. 3165), das zuletzt durch ... geändert worden ist, und dem Organisationserlass vom … (BGBl. …):

    • Legt eine Verordnungsermächtigung die Mitwirkung anderer Stellen fest, so wird in der Eingangsformel durch die Formulierungen „im Einvernehmen mit ...“, „im Benehmen mit ...“ oder „nach Anhörung ...“ bekundet, dass diese Beteiligungs- oder Anhörungspflichten eingehalten worden sind.

      Beispiel 1:

      Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz verordnet aufgrund des § 21 Absatz 2 Elektromagnetische-Verträglichkeit-Gesetz vom 14. Dezember 2016 (BGBl. I S. 2879), das zuletzt durch Artikel 51 des Gesetzes vom 23. Juni 2021 (BGBl. I S. 1858) geändert worden ist, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen und dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr:

      Sind Verordnungsermächtigungen mit verschiedenen Beteiligungspflichten anzugeben, so sind diese getrennt voneinander mit Spiegelstrichen aufzuführen.

      Muster:

      Das Bundesministerium … [o. a. Verordnungsgeber] ... verordnet aufgrund des § ... des … [Vollzitat des ermächtigenden Stammgesetzes] … [einsetzen: unter Wahrung der Rechte des Bundestages ODER mit Zustimmung des Bundestages ODER unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundestages vom ...]:

    • Ist in einer Verordnungsermächtigung die Mitwirkung des Deutschen Bundestages vorgesehen (Rn. 419 ff.), so erhält die Eingangsformel der Rechtsverordnung nach der maßgeblichen Ermächtigungsnorm einen Zusatz, der die Art der Behandlung der Rechtsverordnung im Deutschen Bundestag ausdrückt.

      Nimmt der Deutsche Bundestag den Entwurf der Verordnung lediglich zur Kenntnis, so wird formuliert:

      ... unter Wahrung der Rechte des Bundestages: …

      Stimmt der Deutsche Bundestag der Verordnung ausdrücklich zu, so wird formuliert:

      ... mit Zustimmung des Bundestages: …

      Beschließt der Deutsche Bundestag Änderungen zum Entwurf der Verordnung, so lautet die Formulierung:

      ... unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundestages vom ...

      Im Entwurf der Rechtsverordnung, der dem Deutschen Bundestag zugeleitet wird, sind die einzusetzenden Formulierungen in eckiger Klammer als Alternativen wie folgt vorzusehen:

      Muster:

      Das Bundesministerium … [o. a. Verordnungsgeber] ... verordnet aufgrund des § ... des … [Vollzitat des ermächtigenden Stammgesetzes] … [einsetzen: unter Wahrung der Rechte des Bundestages ODER mit Zustimmung des Bundestages ODER unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundestages vom ...]:

      Die endgültige Formulierung wird erst im Anschluss des Verfahrens im Deutschen Bundestag festgelegt.

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