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Handbuch der Rechtsförmlichkeit

Teil C Stammgesetze

5 Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen

5.4 Mitwirkungsrechte in Verordnungsermächtigungen

  • In der Verordnungsermächtigung können zusätzliche Regelungen über das Verfahren beim Erlass einer Verordnung getroffen werden. Neben den Fällen, in denen die Zustimmung des Bundesrates verfassungsrechtlich vorgegeben ist, kann der Gesetzgeber auch anderen Stellen Mitwirkungsrechte einräumen. Die Formen der Mitwirkung reichen von bloßen Anhörungsrechten über Benehmens- und Einvernehmensregelungen bis hin zu Zustimmungsvorbehalten. Mitwirkungsrechte, die kein Mitentscheidungsrecht geben, wie z. B. Anhörungsrechte, können nicht nur staatlichen, sondern auch privaten Stellen eingeräumt werden. Der Deutsche Bundestag behält sich in Ausnahmefällen vor, eine Verordnung mitzugestalten.

    Ein Verstoß gegen gesetzliche Mitwirkungsrechte führt zur Nichtigkeit der Verordnung.

    • Werden die Bundesregierung oder Bundesministerien zum Erlass einer Rechtsverordnung ermächtigt, so soll dabei stets angegeben werden, ob die Verordnung der Zustimmung des Bundesrates bedarf oder nicht, damit in jedem Fall ersichtlich ist, wie beim Erlass der Verordnung zu verfahren ist. Diese Angabe kann jedoch unterschiedliche Bedeutungen haben. Daher ist immer eine eingehende verfassungsrechtliche Prüfung der Zustimmungsbedürftigkeit vorzunehmen (Rn. 16 f.).

    • Nach Artikel 80 Absatz 2 des Grundgesetzes bedürfen folgende Rechtsverordnungen der Zustimmung des Bundesrates, es sei denn, es ist bundesgesetzlich anders bestimmt (Rn. 415):

      • Rechtsverordnungen der Bundesregierung oder eines Bundesministeriums über Grundsätze und Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen des Postwesens und der Telekommunikation, über die Grundsätze der Erhebung des Entgelts für die Benutzung der Einrichtungen der Eisenbahnen des Bundes, über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen sowie
      • Rechtsverordnungen aufgrund von Bundesgesetzen,
        • die der Zustimmung des Bundesrates unterliegen oder
        • die von den Ländern im Auftrage des Bundes oder als eigene Angelegenheit ausgeführt werden.

      Die Aussage, dass die Verordnung zustimmungsbedürftig ist, hat hier deklaratorische Bedeutung. Der Hinweis auf die Zustimmungsbedürftigkeit setzt jedoch eine Prüfung voraus, ob der Erlass der Verordnung einer der beiden Fallgruppen unterliegt.

      Für die zweite Fallgruppe (aufgrund eines zustimmungsbedürftigen Gesetzes) kommt es für die Zustimmungsbedürftigkeit der Verordnung auf das Gesetz an, mit dem die Ermächtigungsnorm geschaffen wurde. Dies kann das Stammgesetz oder ein späteres Änderungsgesetz sein.

      Zur zweiten Fallgruppe gehören auch Gesetze, die teils von Bundesbehörden und teils von Landesbehörden vollzogen werden. Bei Gesetzen, die von den Ländern im Auftrag des Bundes oder als eigene Angelegenheit ausgeführt werden, kommt es für die Zustimmungsbedürftigkeit der Rechtsverordnung darauf an, auf welchen Regelungsteil des Gesetzes sich die Ermächtigungsnorm bezieht. Das heißt, die Verordnung ist zustimmungsbedürftig, wenn sie gesetzliche Regelungen ausgestalten soll, die zur zweiten Fallgruppe gehören.

    • Enthält eine Verordnungsermächtigung die Aussage, dass eine Verordnung der Bundesregierung oder der Bundesministerien nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf („ohne Zustimmung des Bundesrates“), so kann das unterschiedliche Bedeutungen haben:

      • Konstitutiver Ausschluss
        Die Zustimmungsbedürftigkeit einer Verordnung nach Artikel 80 Absatz 2 des Grundgesetzes greift nur „vorbehaltlich anderweitiger bundesgesetzlicher Regelung“ ein. Die Zustimmungsbedürftigkeit kann demnach durch Bundesgesetz ausgeschlossen werden. Die Formulierung in der Verordnungsermächtigung, dass die Verordnung nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, wirkt hier konstitutiv.
        Wird die Zustimmungsbedürftigkeit der Rechtsverordnung konstitutiv ausgeschlossen, hat das Bedeutung für das Gesetzgebungsverfahren, denn diese Bestimmung löst nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Zustimmungsbedürftigkeit des (ganzen) Gesetzes aus, mit dem diese Ermächtigung geschaffen wird.
        Von der Möglichkeit, die Zustimmung des Bundesrates auszuschließen, sollte nur zurückhaltend Gebrauch gemacht werden. Sinnvoll kann der Ausschluss der Zustimmung bei weniger bedeutenden Verordnungen sein, um den Bundesrat zu entlasten oder um z. B. zur Abwehr von Gefahren eine schnelle Verordnungsgebung sicherzustellen.

        Beispiel:

        Rechtsverordnungen nach diesem Gesetz, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, können bei Gefahr im Verzuge oder wenn ihr unverzügliches Inkrafttreten zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union erforderlich ist, ohne Zustimmung des Bundesrates erlassen werden.

      • Deklaratorische Klarstellung
        Auch wenn eine Verordnung der Bundesregierung oder von Bundesministerien nicht zustimmungsbedürftig ist, soll zur Klarstellung in der Ermächtigung deklaratorisch angegeben werden, dass die Verordnung ohne Zustimmung des Bundesrates erlassen wird.

        Beispiel:

        Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zu versagen oder unter Bedingungen zuzulassen, dass Medaillen und Münzstücke, bei denen die Gefahr einer Verwechselung mit deutschen Euro-Gedenkmünzen besteht, hergestellt, verkauft, eingeführt oder zum Verkauf oder anderen kommerziellen Zwecken verbreitet werden.

    • Soll eine Ermächtigung der Bundesregierung oder der Bundesministerien durch Rechtsverordnung weiter übertragen werden (Subdelegation; Rn. 407 ff.), gilt für die Frage, ob die Subdelegationsverordnung zustimmungsbedürftig ist, dasselbe, was hierzu in der ursprünglichen Ermächtigung festgelegt wurde.

      Da die Ermächtigung zur Subdelegation zumeist unmittelbar bei der ursprünglichen Ermächtigung steht, kann der Normtext in der Regel dadurch entlastet werden, dass in der Ermächtigung zur Subdelegation die Zustimmungsbedürftigkeit nicht erneut aufgegriffen wird.

      Beispiel:

      Das Nähere über … bestimmt das Bundesministerium … durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates … Das Bundesministerium kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt übertragen.

    • Bei der Ausgestaltung der Verordnungsermächtigung sollte stets sorgfältig geprüft werden, ob für die zu erlassende Verordnung aus besonderen Gründen Mitwirkungsrechte anderer Stellen erforderlich sind, die über die regelmäßige Beteiligung nach der GGO§ 45, 47 in Verbindung mit § 62 Absatz 2 Satz 1 GGO) hinausgehen.

      Die Mitwirkung Dritter beim Erlass einer Verordnung kann sinnvoll sein, um besonderen Sachverstand, besondere Erfahrung oder Ortsnähe für die Rechtsetzung zu nutzen.

    • Sollen Mitwirkungsrechte für Dritte vorgesehen werden, so ist in der Ermächtigungsnorm jede Stelle, die beim Erlass der Rechtsverordnung zu beteiligen ist, genau zu bezeichnen und die Art ihrer Beteiligung genau anzugeben.

      Der Gesetzgeber darf sich bei der Regelung der Mitwirkung nicht auf Bestimmungen beschränken, die dem Verordnungsgeber die Entscheidung zuweisen, welche Stellen er in welchem Umfang bei der Verordnungsgebung beteiligt. Unbestimmte Sammelbezeichnungen wie „Verbände und Sachverständige der beteiligten Wirtschaft“, „die beteiligten Kreise“ oder „zuständige Fachbehörden“ reichen nicht aus.

      Fehlbeispiel:

      Vor dem Erlass von Verordnungen nach Absatz 1 soll ein jeweils auszuwählender Kreis von Sachkennern aus der Verbraucherschaft und der beteiligten Wirtschaft gehört werden.

      Beispiel:

      Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, nach Anhörung der Deutschen Bundesbank durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen zu Methoden und Grundlagen der Berechnung der Gesamtkostenquote zu erlassen.

    • Ermächtigungsnormen, die eine Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Form von sog. Zustimmungsvorbehalten vor Erlass der Rechtsverordnung vorschreiben, müssen Ausnahmen bleiben und sollen daher für Regierungsentwürfe grundsätzlich nicht vorgesehen werden. Übt der Deutsche Bundestag den Vorbehalt aus und bestimmt Inhalt und Text der Verordnung mit oder lehnt ihn insgesamt ab, so wird die dem Verordnungsgeber mit der Verordnungsermächtigung übertragene Regelungskompetenz nachträglich beschränkt.

      Mitwirkungsrechte des Deutschen Bundestages gelangen daher in der Regel erst aufgrund eines entsprechenden Petitums des Parlaments in den Gesetzentwurf. Den dafür beim federführenden Ressort angeforderten Formulierungshilfen (Teil F) sollten die nachfolgenden Muster zugrunde liegen.

    • Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages kann nach den folgenden Mustern formuliert werden:

      • Mitwirkung ohne Zustimmung des Bundesrates:
        Ist die Mitwirkung des Deutschen Bundestages an einer Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, vorgesehen, könnte z. B. wie folgt formuliert werden:

        Beispiel 1 (Rechtsverordnung eines Bundesministeriums):

        „Die Rechtsverordnung ist vor Verkündung dem Deutschen Bundestag zuzuleiten. Sie kann durch Beschluss des Deutschen Bundestages geändert oder abgelehnt werden. Der Beschluss des Deutschen Bundestages wird dem Bundesministerium … zugeleitet. Hat sich der Bundestag nach Ablauf von drei Sitzungswochen seit Eingang einer Rechtsverordnung nicht mit ihr befasst, so kann das Bundesministerium … die unveränderte Rechtsverordnung erlassen.“

        Die Eingangsformel der Verordnung würde für diese Fälle lauten:

        Das Bundesministerium ... verordnet aufgrund des § … des Gesetzes ... [einsetzen: unter Wahrung der Rechte des Bundestages bzw. unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundestages vom ...]:

      • Mitwirkung mit Zustimmung des Bundesrates:
        Bedarf eine Verordnung der Zustimmung des Bundesrates, so ist darauf zu achten, dass die Mitwirkung des Deutschen Bundestages weder das Zustimmungsrecht des Bundesrates noch das hierfür vorgesehene Verfahren beeinträchtigt. Deshalb ist festzulegen, dass die Rechtsverordnung zunächst dem Bundestag zuzuleiten ist, damit er sie innerhalb einer gesetzlich zu bestimmenden Frist durch Beschluss ändern oder ablehnen kann. Ferner ist festzulegen, dass die Rechtsverordnung dem Bundesrat nach der Beteiligung des Bundestages zuzuleiten ist.

        Beispiel 2 (Rechtsverordnung der Bundesregierung):

        „Rechtsverordnungen nach Absatz 3 sind dem Deutschen Bundestag zuzuleiten. Die Zuleitung erfolgt vor der Zuleitung an den Bundesrat. Die Rechtsverordnungen können durch Beschluss des Deutschen Bundestages geändert oder abgelehnt werden. Der Beschluss des Deutschen Bundestages wird der Bundesregierung zugeleitet. Hat sich der Deutsche Bundestag nach Ablauf von drei Sitzungswochen seit Eingang der Rechtsverordnung nicht mit ihr befasst, so wird die unveränderte Rechtsverordnung dem Bundesrat zugeleitet."

        Die Eingangsformel der Verordnung würde für diese Fälle lauten:

        Die Bundesregierung verordnet aufgrund des § … des Gesetzes ... mit Zustimmung des Bundestages:

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