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Handbuch der Rechtsförmlichkeit

Teil A Rechtsprüfung

2 Praxis der Rechtsprüfung

    • Die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer vorgesehenen Regelung ist ein zentraler Punkt der Rechtsprüfung. Bei Unsicherheiten oder Zweifeln ist es wichtig, frühzeitig und gezielt das für das Staatsorganisationsrecht federführende Bundesinnenministerium und das für die Grundrechte federführende und für die Rechtsprüfung im Allgemeinen zuständige Bundesjustizministerium anzusprechen. Bei Bezügen zum Finanzverfassungsrecht ist auch eine Beteiligung des Bundesfinanzministeriums vorzusehen. Erster Ansprechpartner ist das jeweilige Spiegelreferat. Um den Verfassungsreferaten eine möglichst präzise Beurteilung zu ermöglichen, ist die Frage fachlich übersichtlich aufzubereiten. Darzustellen sind insbesondere

      • die konkret zu prüfende (Neu-)Regelung,
      • die Unterschiede der neuen im Vergleich zur bisherigen Regelung (was genau ändert sich?) und
      • die maßgeblichen Gründe (warum soll die Änderung erfolgen?).

      Die verfassungsrechtliche Frage, die Anlass zu der Prüfungsbitte an die Verfassungsressorts gibt, sollte möglichst genau umschrieben und vorliegende (auch eigene) Stellungnahmen zum jeweiligen Problem sollten beigefügt werden. Das gilt vor allem auch für Stellungnahmen, von denen zu erwarten ist, dass sie für die Verfassungsreferate schwer oder gar nicht greifbar sind, weil sie etwa im Fachschrifttum, der fachgerichtlichen Rechtsprechung oder auch in Bundes- oder Landesgremien oder Arbeitsgruppen erfolgt sind, deren Ergebnisse und Protokolle nicht oder nur einem eingeschränkten Kreis zugänglich sind. Wichtig sind auch Informationen, ob die erwogene Regelung Vorbilder im geltenden Recht findet und ob diese bereits geltenden Regelungen ihrerseits (insbesondere: im Fachschrifttum etc.) verfassungsrechtlich problematisiert werden.

    • Die folgenden Kontrollfragen sollen helfen, die häufigsten verfassungsrechtlichen Probleme in Regelungsentwürfen rechtzeitig zu erkennen, sie präzise zu formulieren und die dazugehörigen Sachverhalte darzulegen, um die Probleme dann optimal lösen zu können. Die Liste der Kontrollfragen ist nicht abschließend; möglicherweise bestehen auch andere verfassungsrechtliche Probleme. Die folgenden Grundfragen müssen für jeden Entwurf beantwortet werden:

      1. Ist der Bund für die Regelung zuständig?
      2. Ist die Zustimmung des Bundesrates erforderlich?
      3. Falls in das Gesetz eine Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung aufgenommen werden soll (Übertragung der Rechtsetzungskompetenz auf die Exekutive): Ist die Übertragung der Rechtsetzungskompetenz unter dem Gesichtspunkt des Vorrangs des Gesetzes zulässig und erfüllt die Verordnungsermächtigung die Voraussetzungen des Artikels 80 Absatz 1 Satz 1 und 2 des Grundgesetzes?
      4. Falls eine Rechtsverordnung erlassen werden soll: Auf welche Ermächtigung stützt sich die Verordnung?
      5. Werden Grundrechte oder die in Artikel 93 Absatz 1 Nummer 4a des Grundgesetzes genannten grundrechtsgleichen Rechte durch die beabsichtigten Rechtsregeln berührt? Wenn ja: Welche fachlichen Gründe sprechen für den Eingriff oder die Ungleichbehandlung?
      6. Werden Institutsgarantien (z. B. Ehe und Familie, freie Presse, Eigentum, Erbrecht), institutionelle Garantien (z. B. kommunale Selbstverwaltung, Berufsbeamtentum) oder sonstige objektive Garantien oder Wertentscheidungen durch die beabsichtigten Rechtsnormen berührt?
      7. Sind die beabsichtigten Regelungen mit den in Artikel 20 des Grundgesetzes aufgeführten Prinzipien (Demokratie-, Sozialstaats-, Rechtsstaats-, Gewaltenteilungs-, Föderalismusprinzip) und mit den sonstigen allgemeinen Verfassungsrechtssätzen vereinbar?
      8. Bleibt der erforderliche gerichtliche Rechtsschutz (Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes; Justizgewährleistungsanspruch) gewahrt?
      9. Schließlich: Sind in der Begründung die für den Regelungsentwurf wesentlichen Gesichtspunkte und Abwägungen überzeugend dargestellt?

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