Bei Formulierungen mit „sollen“ ist zu beachten, dass der fachsprachliche Gebrauch von „sollen“ in Rechtsvorschriften vom allgemeinsprachlichen Gebrauch abweicht.
Im Verwaltungsrecht sind Soll-Vorschriften Rechtsnormen, die einer Behörde bei der Vornahme oder dem Unterlassen einer Handlung nur einen eingeschränkten Ermessensspielraum einräumen. Das bedeutet, dass die Behörde in der Regel die in der Rechtsnorm bezeichnete Handlung vornehmen oder unterlassen muss. Damit unterscheiden sich Soll-Vorschriften von Kann- und Muss-Vorschriften, die der Behörde einen weiten (Kann-Vorschrift) bzw. gar keinen Entscheidungsspielraum (Muss-Vorschrift) lassen.
In anderen Rechtsbereichen signalisieren Soll-Vorschriften (im Unterschied zu Muss-Vorschriften) oft, dass ein Verstoß keine Rechtsfolge nach sich zieht oder die Rechtsfolge weniger schwerwiegend ist. Ein Erblasser beispielsweise „soll“ angeben, zu welcher Zeit und an welchem Ort er das eigenhändige Testament errichtet hat (§ 2247 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Fehlen diese Angaben, ist das Testament gleichwohl als gültig anzusehen, wenn sich die notwendigen Feststellungen anderweitig treffen lassen (§ 2247 Absatz 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs).
Wenn Behörden in ihrer Entscheidung jedoch gebunden werden oder wenn es um Verbote und Gebote geht, sind Formulierungen mit „müssen“, „sind/haben zu …“ oder „dürfen nicht“ zu wählen. Eine Verpflichtung von Behörden kann auch mit dem Indikativ Präsens ausgedrückt werden, das innerhalb von Rechtsvorschriften imperativisch gebraucht wird: Die zuständige Behörde „erteilt“ oder „übersendet“ etwas etc.