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Handbuch der Rechtsförmlichkeit

Teil B Allgemeine Regeln zur rechtsförmlichen und sprachlichen Gestaltung von Rechtsvorschriften

Abschnitt II Allgemeine rechtsförmliche Regeln

3 Verweisungen im Bundesrecht

    • Mit Verweisungen nimmt der Gesetzgeber innerhalb einer Norm Bezug auf andere Quellen,

      • um Wiederholungen zu vermeiden,
      • um das Verhältnis verschiedener Regelungen zueinander zu bestimmen (Vorrang bzw. Subsidiarität etc.) oder
      • um lediglich darauf hinzuweisen, dass weitere Texte zu beachten sind.

      Da Quellen, auf die Bezug genommen wird, zu einem Bestandteil der verweisenden Regelung werden, muss immer überprüft werden, ob die Verweisung tauglich ist (Rn. 91).

      Da Verweisungen andererseits die Verständlichkeit der Regelungen beeinträchtigen, ist zu prüfen, ob sie jeweils nötig oder entbehrlich sind bzw. ob eine eigenständige Regelung vorzugswürdig ist.

      Zur Bedeutung von Verweisungen für die Verständlichkeit einer Rechtsvorschrift siehe auch Abschnitt III Unterabschnitt 3.4 Formulierung von Verweisungen (Rn. 276 ff.).

    • Gesetzgeber und Verordnungsgeber dürfen unter bestimmten Voraussetzungen auf vorhandene Quellen zurückgreifen, indem sie darauf verweisen. Die Rechtsnorm, die die Verweisung enthält, heißt Verweisungsnorm. Die Quelle, auf die verwiesen wird, heißt Bezugsquelle.

    • Neben herkömmlichen Texten können auch Darstellungen wie Muster, Zeichnungen und Karten in Bezug genommen werden. Gegenstand von Verweisungen können insbesondere folgende Quellen sein:

      • andere Rechtsvorschriften des Bundes,
      • Vorschriften fremder Normgeber,
      • Quellen, die weder Rechtsvorschriften des Bundes noch Vorschriften fremder Normgeber sind.

      Durch Verweisung in Bezug genommene Rechtsnormen werden als Bezugsnormen inhaltlich Bestandteil der Verweisungsnorm.

      Beispiel:

      § 5 Absatz 2 Satz 1 des Bundeskleingartengesetzes

      § 5
      Pacht

      (1)

      (2) Auf Antrag einer Vertragspartei hat der nach § 192 des Baugesetzbuchs eingerichtete Gutachterausschuss ein Gutachten über die ortsübliche Pacht im erwerbsmäßigen Obst- und Gemüseanbau zu erstatten. …

    • Die Vor- und Nachteile von Verweisungen sind im Einzelfall abzuwägen.

      Vorteile:

      Verweisungen sind dazu geeignet, Texte kurz zu halten und zugleich sicherzustellen, dass für vergleichbare Sachverhalte dieselben Tatbestandsvoraussetzungen gelten bzw. dieselben Rechtsfolgen eintreten. Verweisungen verdeutlichen daher rechtssystematische Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Regelungen und dienen der Einheitlichkeit der Rechtsordnung.

      Nachteile:

      Verweisungen unterbrechen den Lesefluss. Der Gesamtregelungsgehalt wird aus der Verweisungsnorm allein nicht deutlich, sondern ergibt sich erst in der Zusammenschau mit der Bezugsquelle. Es kann bei Quellen, die weder Rechtsvorschriften noch Vorschriften fremder Normgeber sind, aufwendig sein, die Bezugsquelle zu beschaffen.

      Diese Nachteile können gemildert werden, wenn die Verweisungsnorm auf den Inhalt der Bezugsnorm hinweist.

      Beispiel:

      Die §§ 169, 171a bis 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Öffentlichkeit, Sitzungspolizei, Gerichtssprache, Beratung und Abstimmung sind entsprechend anzuwenden.

    • In manchen Fällen sind Verweisungen unvermeidlich. Gewisse Regelungsinhalte lassen sich nur durch Verweisung in eine Vorschrift einbeziehen. Hierzu gehören z. B. Landkarten, Tabellen und Muster, die im Regelungstext durch Wörter allein nicht darstellbar wären. Sie werden deshalb als Anlagen zu einer Rechtsvorschrift oder über eine andere Veröffentlichungsfundstelle in Bezug genommen.

    • Im Bundesrecht darf nur unter bestimmten Voraussetzungen auf andere Bezugsquellen als Rechtsvorschriften des Bundes (Rn. 88) verwiesen werden. Eine Verweisung muss zweckmäßig und verständlich sein (zur Verständlichkeit von Verweisungen siehe Abschnitt III Unterabschnitt 3.4 Formulierung von Verweisungen, Rn. 276 ff.).

      Die in Bezug genommene Quelle muss sich als Ergänzung des Regelungsgehalts der Verweisungsnorm eignen, d. h., sie muss inhaltlich verweisungstauglich sein. Wer eine Vorschrift formuliert und dabei andere Quellen durch Verweisung übernimmt, ist damit für den geschaffenen Zusammenhang und den dadurch entstehenden Regelungsinhalt verantwortlich.

      Eine Quelle ist in formaler Hinsicht verweisungstauglich, wenn ihr Text in deutscher Sprache veröffentlicht und er dauerhaft allgemein zugänglich und vor Veränderungen geschützt ist, weil er archivmäßig gesichert ist. Veröffentlichungen in den amtlichen Verkündungsorganen erfüllen diese Voraussetzungen. Verkündete Rechtsnormen sind daher als Bezugsnormen stets formal verweisungstauglich.

    • Verweisungen müssen klar und eindeutig sein – es darf keinem Zweifel unterliegen, worauf in welchem Umfang verwiesen wird. Deshalb sind die Bezugnahmen in der Verweisungsnorm so konkret wie möglich zu fassen.

      Beispiel:

      Enthält ein Paragraf in seinem Absatz 1 Satz 1 Regelungen zum Verwaltungsverfahren und in Satz 2 Zuständigkeitsregelungen und soll in der Verweisungsnorm nur auf diese Zuständigkeitsregelung Bezug genommen werden, so wäre der Verweis insgesamt auf Absatz 1 zu weitreichend; vielmehr muss Absatz 1 Satz 2 angegeben werden:

      § ... Absatz 1 Satz 2 ist anzuwenden.

    • Verweisungen auf Quellen, die ihrerseits auf weitere Quellen verweisen, sollen unterbleiben. Das gilt insbesondere für Verweisungen auf Rechtsvorschriften, die ihrerseits auf andere Rechtsvorschriften weiterverweisen. Solche Verweisungsketten führen dazu, dass neben der Bezugsnorm noch weitere Vorschriften herangezogen werden müssen, um zu erkennen, was mit der Verweisungsnorm geregelt wird. Damit behindern Verweisungsketten die Verständlichkeit (Rn. 89).

      Beschreibung einer zu vermeidenden Verweisungskette:

      So besagt § 1908i Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der bis einschließlich 31. Dezember 2022 geltenden Fassung, dass auf die Betreuung mehrere Vorschriften des Vormundschaftsrechts entsprechend anwendbar sind. Dazu gehört § 1835 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wonach der Vormund entsprechend § 670 des Bürgerlichen Gesetzbuchs Ersatz seiner Aufwendungen verlangen kann und für den Ersatz von Fahrtkosten die in § 5 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes für Sachverständige getroffene Regelung entsprechend gilt.

      Eine Verweisungskette kann ausnahmsweise hilfreich sein, wenn sie verdeutlicht, dass die Bezugsnormen von unterschiedlichen Normsetzern erlassen werden.

      Beispiel für eine Verweisungskette aus Bezugsnormen von unterschiedlichen Normsetzern:

      § 98 Absatz 1 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch verweist auf Zulassungsverordnungen:

      Die Zulassungsverordnungen regeln das Nähere über die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ... und die Beschränkung von Zulassungen.

      § 33 Absatz 2 Satz 4 der Zulassungsverordnung für Kassenärzte verweist weiter auf landesrechtliche Vorschriften:

      Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn ... landesrechtliche Vorschriften über die ärztliche Berufsausübung entgegenstehen.

      § 31 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 des Heilberufsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen verweist auf eine Berufsordnung:

      Das Nähere ... regelt die Berufsordnung. Die Berufsordnung wird von der zuständigen Kammer erlassen …

    • Verweisungen lassen sich nach verschiedenen Kriterien unterscheiden:

      • nach der inhaltlichen Bedeutung für die Verweisungsnorm: konstitutive vs. deklaratorische Verweisungen
        Konstitutive Verweisungen (Rn. 98) sind ohne die Bezugsquelle inhaltlich unvollständig, d. h., die Bezugsquelle wird Bestandteil der Verweisungsnorm, wohingegen deklaratorische Verweisungen (Rn. 99) lediglich darauf hinweisen, dass weitere Quellen zu beachten sind.
      • nach dem Abstraktionsgrad: konkrete bzw. normgenaue vs. inhaltsbezogene Verweisungen
        Konkrete Verweisungen (Rn. 100) beziehen sich auf genau benannte Quellen, meist konkrete Regelungen einzelner Rechtsnormen, wohingegen inhaltsbezogene Verweisungen (Rn. 101) sich verallgemeinernd (abstrakt) auf Inhalte beziehen, ohne die einzelnen Quellen bzw. Rechtsnormen genau zu nennen.
      • nach dem Standort der Bezugsnorm oder -quelle: Binnenverweisung vs. Außenverweisungen
        Binnenverweisungen (Rn. 103) verweisen auf Vorschriften innerhalb desselben Gesetzes oder derselben Rechtsverordnung, während Außenverweisungen (Rn. 104) sich auf andere Quellen, meist andere Rechtsvorschriften oder Teile davon, beziehen.
      • nach der Bedeutung der Aktualität der Bezugsquelle für die Verweisung: statische vs. dynamische Verweisungen
        Statische Verweisungen (Rn. 105) beziehen sich auf eine ganz bestimmte Fassung der Bezugsquelle, dynamische Verweisungen (Rn. 110 ff.) hingegen auf die jeweils aktuelle Fassung der Bezugsquelle.

      Eine Verweisung trägt jeweils mehrere Merkmale. So kann eine Außenverweisung konstitutiv und zugleich konkret bzw. normgenau und statisch sein oder eine Binnenverweisung deklaratorisch, normgenau und dynamisch.

    • Damit der Charakter einer Verweisung sicher erfasst werden kann, müssen für Verweisungen gleicher Art möglichst dieselben rechtsförmlichen Standardformulierungen verwendet werden (vgl. Abschnitt III Unterabschnitt 3.4. Formulierung von Verweisungen, Rn. 276 ff.).

    • Bei einer Verweisung ist grundsätzlich eine Fundstelle anzugeben, die Gewähr dafür bietet, dass die in Bezug genommene Quelle dauerhaft allgemein zugänglich und durch eine archivmäßige Sicherung vor Veränderungen geschützt ist.

      Zu den möglichen Fundstellenangaben für Veröffentlichungen in den amtlichen Verkündungsorganen siehe Rn. 64.

    • Damit die Rechtsordnung in sich schlüssig gehalten wird, sind bei der Änderung von Gesetzen oder Rechtsverordnungen stets die Verweisungen zu kontrollieren. Die Verweisungskontrolle umfasst zwei Aspekte:

      • Bei jeder Änderung einer Rechtsnorm muss überprüft werden, ob diese von anderen Rechtsnormen in Bezug genommen wird und inwieweit die Änderung sich auf solche Verweisungsnormen auswirkt.
      • Bei jeder Änderung einer Rechtsnorm muss überprüft werden, ob die Bezugsquelle, auf die in dieser Norm verwiesen wird, (noch) aktuell ist.

      Die Verantwortlichkeit für die Verweisungskontrolle in Änderungsvorhaben stellt sich wie folgt dar:

      • Wer für die Änderung einer Rechtsnorm federführend ist,
        • muss ermitteln, ob sie Bezugsnorm ist, d. h., ob andere Rechtsvorschriften auf sie verweisen, und
        • muss die Überprüfung der Verweisungsnormen beim jeweils zuständigen Federführer veranlassen.
      • Wer für eine Verweisungsnorm federführend ist,
        • muss auf Hinweis des Federführers für die geänderte Bezugsnorm prüfen, ob wegen der Änderung der Bezugsnorm auch eine Änderung der Verweisungsnorm erforderlich ist, und
        • ist außerdem gehalten, selbst die Rechtsentwicklung der Bezugsnormen daraufhin zu beobachten, ob sie Änderungen der Verweisungsnorm erforderlich macht.
    • Die konstitutive Verweisung zeichnet sich – im Gegensatz zur deklaratorischen Verweisung – dadurch aus, dass der Regelungsinhalt der Verweisungsnorm nur zusammen mit der Bezugsquelle vollständig ist, weil die Bezugsquelle inhaltlich notwendiger Bestandteil der Verweisungsnorm ist.

      Konstitutive Verweisungen können ganz unterschiedliche Funktionen erfüllen, die möglichst präzise ausgedrückt werden sollten.

      • Mit einer Rechtsgrundverweisung auf andere Rechtsnormen wird erreicht, dass die Bezugsnorm insgesamt angewendet wird. Es wird auch auf ihren Tatbestand verwiesen, dessen Merkmale vorliegen müssen, damit die Rechtsfolge eintritt.

        Beispiel 1:

        § 254 Absatz 2 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der die Haftung bei Mitverschulden von Schäden regelt, verweist auf § 278, der die Verantwortlichkeit eines Schuldners für Dritte regelt („Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.“). Die Verweisung führt dazu, dass ein Mitverschulden des Schuldners auch dann vorliegt, wenn ihm ein Verhalten eines Dritten zuzurechnen ist, der gesetzlicher Vertreter des Schuldners ist oder eine Person, deren sich der Schuldner zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient hat.

      • Wird ausdrücklich nur auf die Tatbestandsvoraussetzungen einer Rechtsnorm (Bezugsnorm) verwiesen, kann z. B. wie folgt formuliert werden:

        Beispiel 2:

        § 183a Absatz 1 des Aktiengesetzes:

        (1) Von einer Prüfung der Sacheinlage... kann unter den Voraussetzungen des § 33a abgesehen werden. Wird hiervon Gebrauch gemacht, so gelten die folgenden Absätze.

      • Mit der Rechtsfolgenverweisung wird vermieden, dass Rechtsfolgen in der Verweisungsnorm ausdrücklich geregelt werden müssen. Soll auf die Rechtsfolgenseite einer Bezugsnorm verwiesen werden, kann z. B. so formuliert werden:

        Beispiel 3:

        § 97a Satz 1 des Strafgesetzbuches:

        Wer ein Geheimnis, das wegen eines der in § 93 Absatz 2 bezeichneten Verstöße kein Staatsgeheimnis ist, einer fremden Macht oder einem ihrer Mittelsmänner mitteilt und dadurch die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird wie ein Landesverräter (§ 94) bestraft.


        Beispiel 4:

        § 852 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs:

        Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet.

      • Um an anderer Stelle festgelegte Merkmale von Begriffen in der Verweisungsnorm nicht zu wiederholen, kann man auf sie mit folgenden Formulierungen verweisen:

        Beispiel 5:

        Betreiber nach §

        Einrichtungen gemäß §

    • Deklaratorische Verweisungen sind lediglich Hinweise auf andere Bezugsquellen, welche ohnehin beachtet werden müssen. Deklaratorische Verweisungen haben keinen eigenen Regelungsinhalt, machen jedoch in der Verweisungsnorm auf die anderen zu beachtenden Quellen aufmerksam.

      Deklaratorische Verweisungen sind meist entbehrlich. Sie haben jedoch ihre Berechtigung in Fällen, in denen die Bezugsquelle ansonsten leicht übersehen würde. In diesen Fällen muss bei der Formulierung einer deklaratorischen Verweisung deutlich werden, dass es sich lediglich um einen Hinweis und nicht um eine Geltungsanordnung handelt; Formulierungen mit „gelten“ sind deshalb zu vermeiden (vgl. Abschnitt III Unterabschnitt 3.4 Formulierung von Verweisungen, Rn. 276 ff.).

      Beispiel:

      Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert des Wirtschaftsteils niedriger ist als der nach den Absätzen 1 und 2 ermittelte Wert, ist dieser Wert anzusetzen; § 166 ist zu beachten.

      Oft werden auch die Formulierungen „bleibt unberührt“ und „unbeschadet des/der …“ als deklaratorischer Hinweis auf andere Vorschriften verwendet. Dies ist jedoch nicht unproblematisch (Rn. 278).

    • Quellen, auf die verwiesen wird, sollen so genau wie möglich bezeichnet werden und müssen mit einer Fundstelle angegeben werden, die den Anforderungen an die Verweisungstauglichkeit nach Rn. 91 genügt.

      Beispiel 1:

      (1) Der Betreiber kann ein festes Gemisch … als nicht wassergefährdend einstufen, wenn

      1. das Gemisch der Einbauklasse Z 0 oder Z 1.1 der Mitteilung 20 der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) „Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Reststoffen/Abfällen – Technische Regeln“, Erich Schmidt-Verlag, Berlin, 2004, die bei der Deutschen Nationalbibliothek archivmäßig gesichert niedergelegt ist und in der Bibliothek des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz eingesehen werden kann, entspricht.

      Für die Formulierung von Verweisungen auf Rechtsnormen (Bezugsnormen) sind die Zitierregeln des Abschnitts II Unterabschnitt 2 Zitierung von Rechtsvorschriften des Bundes (Rn. 55 ff.) zu beachten.

      Beispiel 2:

      Der Unternehmer und der sonstige Inhaber einer Wasserversorgungsanlage haben dem Gesundheitsamt unverzüglich anzuzeigen,

      1. wenn die in § 5 Absatz 2 und 3 oder § 6 Absatz 2 in Verbindung mit den Anlagen 1 und 2 festgelegten Grenzwerte überschritten worden sind oder der in Anlage 3 Teil II festgelegte technische Maßnahmenwert überschritten worden ist,
    • Bezugnahmen auf andere Quellen können auch als inhaltsbezogene Verweisungen gestaltet sein. Werden z. B. die „bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen über den Fund“ für anwendbar erklärt, so wird auf die §§ 965 bis 984 des Bürgerlichen Gesetzbuchs verwiesen, obwohl der Zitiername „Bürgerliches Gesetzbuch“ und die gemeinten Bestimmungen nicht ausdrücklich genannt werden. Weil inhaltsbezogene Verweisungen keinen genauen Hinweis geben, wo die Bezugsquelle zu finden ist, können sie problematisch sein. Das ist dann der Fall, wenn sie sich auf Quellen beziehen, die entweder nicht allgemein bekannt sind oder die schwer zu finden sind, weil sie in mehreren verschiedenen Rechtsvorschriften oder anderen Quellen enthalten sind.

      Zu den inhaltsbezogenen Verweisungen gehören auch solche, die Regelungen anderer Normgeber ganz allgemein in Bezug nehmen.

      Beispiel:

      Die Apothekenbetriebsordnung enthält in § 16 Vorschriften zur Lagerung von Arzneimitteln und verweist dabei auf Regeln des Arzneibuches, die gemäß § 55 des Arzneimittelgesetzes von der Deutschen Arzneibuch-Kommission oder der Europäischen Arzneibuch-Kommission beschlossen werden:

      Die Lagerungshinweise des Arzneibuches sind zu beachten.

      Inhaltsbezogene Verweisungen sind zugleich dynamisch (Rn. 110 ff.) und müssen seltener als ein normgenaues Zitat aktualisiert werden. Sie können dann sinnvoll sein, wenn die Verweisungsnorm durch die Nennung mehrerer einzelner Bezugsnormen unübersichtlich würde.

    • Mithilfe gesetzlich angeordneter Analogien wird Ähnliches gleichgesetzt, indem sprachlich ausgedrückt wird, dass in bestimmten Fällen bestimmte Vorschriften, welche für andere Fälle gelten, „sinngemäß“ oder „entsprechend“ anzuwenden sind. Soll auf einen Text nicht wörtlich, sondern nur sinngemäß Bezug genommen werden, sind folgende Formulierungen zu nutzen:

      § … gilt entsprechend“

      § … gilt sinngemäß“

      § … ist entsprechend anzuwenden “ oder

      „im Sinne des § …“.

      Die Analogieverweisung verwendet man, wenn die Regelungsinhalte von Bezugs- und Verweisungsnorm ähnlich sind, der Text der Bezugsnorm jedoch nicht Wort für Wort zur Verweisungsnorm passt. Durch die genannten Formulierungen wird der Anwender der Verweisungsnorm aufgefordert, die zitierte – nicht unmittelbar anwendbare – Bezugsnorm gedanklich so umzuformulieren, dass sie für die Verweisungsnorm nutzbar gemacht werden kann. Wenn z. B. die in der Bezugsnorm genannte Handlung die gleiche wie in der Verweisungsnorm ist, sich aber die Handelnden in beiden Normen unterscheiden (z. B. Behörde A und Behörde B), kann die Bezugsnorm nicht Wort für Wort, sondern nur sinngemäß in Bezug genommen werden.

      Um den Regelungsinhalt der Verweisungsnorm verständlicher zu machen, kann es sinnvoll sein, Abwandlungen ausdrücklich anzugeben.

      Beispiel:

      § 48 Absatz 2 Satz 4 des Bundesberggesetzes:

      § 73 Absatz 3, 4 und 5 Satz 1 und 2 Nummer 1, 2 und 4 Buchstabe b des Verwaltungsverfahrensgesetzes ist mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle der Gemeinde die zuständige Behörde tritt.

    • Bei einer Binnenverweisung stehen Verweisungsnorm und Bezugsnorm innerhalb desselben Gesetzes bzw. innerhalb derselben Rechtsverordnung. Daher sind Paragrafen, auf die verwiesen wird, ggf. mit ihrer jeweils maßgeblichen Untergliederung, ohne den Zitiernamen des Gesetzes bzw. der Rechtsverordnung anzuführen. Diese Verweisungen sind grundsätzlich dynamisch.

      Beispiel 1:

      § 56e des Strafgesetzbuches:

      Das Gericht kann Entscheidungen nach den §§ 56b bis 56d auch nachträglich treffen, ändern oder aufheben.

      Eine Binnenverweisung innerhalb eines Paragrafen steht ohne Paragrafenbezeichnung. Entsprechendes gilt für niedrigere Gliederungseinheiten wie Absätze und Sätze.

      Beispiel 2:

      Verweisung innerhalb ein und desselben Paragrafen:

      (5) Wenn einer der in den Absätzen 1, 2 oder 3 genannten Tatbestände bei den in Absatz 1 genannten Personen auftritt, so haben diese Personen oder in den Fällen des Absatzes 4 der Sorgeinhaber der Gemeinschaftseinrichtung hiervon unverzüglich Mitteilung zu machen.

      Beispiel 3:

      Verweisung innerhalb ein und desselben Absatzes:

      Die Sätze 2 und 3 gelten nicht, wenn der Ehegatte, Lebenspartner oder Elternteil nicht nur vorübergehend keine Pflegeleistungen erbringt …

      Beispiel 4:

      Verweisung innerhalb ein und desselben Satzes:

      ..., soweit sie Bestandteil der in den Nummern 1 bis 3 genannten Verkehrsanlagen oder nach städtebaulichen Grundsätzen ... notwendig sind;

    • Von einer Außenverweisung spricht man, wenn in einer Verweisungsnorm auf Quellen außerhalb der Rechtsvorschrift verwiesen wird. Hierbei kann es sich z. B. um Verweisungen auf Normen in anderen Gesetzen oder Rechtsverordnungen desselben Normgebers handeln. Möglich sind grundsätzlich auch Verweisungen auf Normen anderer Normgeber (z. B. auf EU-Recht). Schließlich kann auch auf Quellen, die nicht Rechtsvorschriften sind, verwiesen werden (Rn. 88).

      Wird auf eine andere Rechtsvorschrift verwiesen, muss sie grundsätzlich mit einem Vollzitat angeführt werden (vgl. Rn. 55 ff.).

      Beispiel:

      § 2 Absatz 1 Nummer 1 der Verordnung über die Küstenschifffahrt:

      Küstenschifffahrt darf nur betrieben werden

      1. mit Seeschiffen, die nach dem Flaggenrechtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3140), das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 4 des Gesetzes vom 20. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2752) geändert worden ist, die Bundesflagge führen;

      ...

      Hinsichtlich der möglichen Ausnahmen vom Vollzitat vgl. Rn. 55 ff.

    • Die statische oder starre Verweisung bezieht sich auf die Fassung einer Quelle zu einem bestimmten Zeitpunkt. In der Regel wird dies die Fassung sein, die bei Inkrafttreten der Verweisungsnorm gilt.

    • Auf Normen innerhalb ein und derselben Rechtsvorschrift kann ausnahmsweise auch statisch verwiesen werden. Häufig geschieht das in Übergangsvorschriften (Rn. 558 ff.), in denen einzelne geänderte oder gestrichene Normen der jeweiligen Rechtsvorschrift in einer bis zu einem bestimmten Zeitpunkt geltenden Fassung für weiter anwendbar erklärt werden.

    • Eine statische Außenverweisung auf Rechtsvorschriften des Bundes wird in der Regel durch das Vollzitat kenntlich gemacht (Rn. 55 ff.). Wird eine Rechtsvorschrift nur mit dem Zitiernamen angegeben, etwa weil sie allgemein bekannt ist (Rn. 57), so wird die statische Verweisung durch einen Hinweis, z. B. mit „in der am ... geltenden Fassung“, kenntlich gemacht.

    • Durch eine statische Verweisung kann auch auf jede andere verweisungstaugliche Quelle – in der Regel Texte, aber auch Darstellungen (Rn. 88, 91) – Bezug genommen werden. Die Quellenangabe dokumentiert, dass sich der Normgeber den Inhalt der Bezugsnorm bewusst zu eigen macht.

      Beispiel 1:

      Der nach § 2 bestimmte Lärmschutzbereich ist in einer topographischen Karte im Maßstab 1 : 50 000 und in Karten im Maßstab 1 : 5 000 dargestellt. Die topographische Karte ist dieser Verordnung als Anlage 2 beigefügt. Die Karten im Maßstab 1 : 5 000 sind bei dem ... [Name und ggf. Adresse der Stelle der Niederlegung] ... archivmäßig gesichert niedergelegt.

      Beispiel 2:

      Die zuständige Behörde ermittelt für jedes Halbjahr die durchschnittliche Anzahl der Behandlungen mit antibakteriell wirksamen Stoffen, …, indem sie nach Maßgabe des Berechnungsverfahrens zur Ermittlung der Therapiehäufigkeit vom 21. Februar 2013 (BAnz AT 22.02.2013 B2) ...

    • Eine statische Verweisung auf ein bestimmtes privates Regelwerk (z. B. auf Festlegungen des Deutschen Instituts für Normung e.V. oder auf Normen und Standards international anerkannter Vereinigungen) muss folgende Angaben enthalten:

      • die genaue Bezeichnung des Regelwerks,
      • Angaben zur maßgeblichen deutschsprachigen Fassung, z. B. Ausgabe-Nummer, Datum der Regelung, Veröffentlichungs- oder Herausgabedatum, und
      • Angaben dazu, wo das Regelwerk verwahrt, zu beziehen oder einsehbar ist.

      Die Angaben müssen im Text des Gesetzes oder der Rechtsverordnung selbst, in einer amtlichen Fußnote oder in einer Anlage vermerkt werden.

      Beispiel:

      § 33 Absatz 3 Satz 2 der Klärschlammverordnung:

      „Die zuständige Behörde kann von einer überregional tätigen Untersuchungsstelle verlangen, dass sie eine gültige Akkreditierung über die Erfüllung der Anforderungen der DIN EN ISO/IEC 17025, Ausgabe August 2005, die bei der Beuth-Verlag GmbH, Berlin, zu beziehen und bei der Deutschen Nationalbibliothek archivmäßig gesichert niedergelegt ist, vorlegt.“

    • Eine dynamische oder gleitende Verweisung nimmt auf die jeweils aktuelle Fassung einer Rechtsnorm oder einer anderen Quelle Bezug. Die Verweisungsnorm, die eine dynamische Verweisung enthält, ist der Entwicklung ihrer Bezugsquelle ausgeliefert. Diese Art von Verweisungsnorm erhält dadurch, dass sie ihre Quelle dynamisch in Bezug nimmt, ihren jeweiligen Regelungsinhalt und ihre Aktualität.

      Die Aktualität einer Bezugsnorm kann insbesondere dann wesentlich für die Verweisungsnorm sein,

      • wenn die Bezugsnorm unmittelbar geltendes höherrangiges Recht ist (z. B. wenn eine Rechtsverordnung auf das durch sie auszuführende Gesetz verweist; Verweisung auf eine EU-Verordnung),
      • wenn die Bezugsnorm gleichrangiges Recht ist und ein enger Sachzusammenhang zur Verweisungsnorm besteht.

      Auch die Aktualität anderer Quellen kann für die Anwendung einer Verweisungsnorm so bedeutsam sein, dass eine dynamische Verweisung auf sie zweckmäßig ist. Allerdings darf sich der Normgeber der Verweisungsnorm möglichen Änderungen der Bezugsquelle nicht unkontrolliert ausliefern.

      Auch wenn bei dynamischen Verweisungen der Anpassungsbedarf generell geringer ist als bei statischen, müssen sie dennoch auf Anpassungsbedarf kontrolliert werden.

    • Verweisungen auf einzelne Normen innerhalb derselben Rechtsvorschrift sind grundsätzlich dynamisch und bedürfen im Gegensatz zu statischen Binnenverweisungen (Rn. 106) keiner besonderen Kennzeichnung.

    • Der Bundesgesetzgeber darf dynamische Außenverweisungen auf andere Bundesgesetze einsetzen, da er deren Entwicklung selbst kontrollieren kann. Da auch ein Verordnungsgeber in den folgenden Fällen die Entwicklung der Bezugsnormen selbst kontrollieren kann, sind außerdem folgende Außenverweisungen möglich:

      • von einer Verordnung der Bundesregierung auf eine andere Verordnung der Bundesregierung,
      • von einer Ministeriumsverordnung auf eine andere Verordnung desselben Ministeriums (wobei etwaige Mitwirkungspflichten für beide Verordnungen gleich sein müssen).

      Eine dynamische Außenverweisung auf Rechtsvorschriften des Bundes wird in der Regel durch das Vollzitat (Rn. 55 ff.) und den Zusatz „in der jeweils geltenden Fassung“ kenntlich gemacht. Wird eine Rechtsvorschrift nur mit dem Zitiernamen angegeben, etwa weil sie allgemein bekannt ist (Rn. 57), so handelt es sich automatisch um eine dynamische Verweisung.

    • Der Bundesgesetzgeber darf dynamische Außenverweisungen auf Rechtsnormen anderer Normgeber einsetzen, wenn er ihnen von Verfassungs wegen unterworfen ist. Das sind folgende Fälle:

      • Verweisung von Bundesgesetz auf EU-Verordnung,
      • Verweisung von Bundesgesetz auf EU-Richtlinie, soweit kein Umsetzungsspielraum besteht.

      Eine Rechtsverordnung des Bundes darf angesichts der Normenhierarchie auf Bundesgesetze dynamisch verweisen.

      Im Übrigen ist Zurückhaltung geboten, wenn im Bundesrecht auf Normen anderer Normgeber dynamisch verwiesen werden soll. Denn dann kann der Normgeber der Verweisungsnorm in der Regel die künftige Entwicklung der Bezugsnorm nicht bestimmen. Mit einer unbedacht gesetzten dynamischen Verweisung würde der für die Bezugsnorm verantwortliche Normgeber Einfluss auch auf die Verweisnorm erhalten, selbst wenn der Normgeber der Verweisungsnorm das nicht beabsichtigt hat.

      Unter keinen Umständen darf in Bundesgesetzen auf Regelungen anderer Normgeber dynamisch verwiesen werden, wenn grundrechtliche Gesetzesvorbehalte oder die Wesentlichkeitstheorie eine eigenverantwortliche Entscheidung des Gesetzgebers fordern.

      Diese Ge- und Verbote sind auch zu beachten, wenn im Bundesrecht auf öffentlich-rechtliche Quellen, die keine Normen anderer Normgeber sind (z. B. Bestimmungen von Körperschaften des öffentlichen Rechts), dynamisch verwiesen werden soll.

    • Eine dynamische Verweisung auf private Regelwerke käme einer indirekten Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen auf private Regelsetzer gleich. Dies ist grundsätzlich nicht zulässig, weil private Regelwerke nicht demokratisch legitimiert und deren Änderung durch private Regelsetzer für den Gesetz- bzw. Verordnungsgeber weder vorhersehbar noch steuerbar sind.

      Ausnahmen sind möglich, wenn

      • solche Regelwerke aufgrund gesetzlicher Vorschriften staatlich kontrolliert sind (z. B. durch einen Genehmigungsvorbehalt zugunsten eines Bundesministeriums),
      • der Inhalt des Regelwerks im Wesentlichen feststeht und
      • der Regelungsumfang der dynamischen Verweisung klar umgrenzt ist.
    • Zur Kennzeichnung dynamischer Außenverweisungen sind folgende Fälle zu unterscheiden:

      • Um auf andere bundesrechtliche Vorschriften dynamisch zu verweisen, wird dem Vollzitat (Rn. 55) grundsätzlich die Formulierung „in der jeweils geltenden Fassung“ angefügt.
      • Ist einmal ausdrücklich klargestellt, dass gleitend verwiesen wird, so genügt es bei Wiederholungen, das in Bezug genommene Gesetz bzw. die in Bezug genommene Rechtsverordnung nur mit dem Zitiernamen (Rn. 59, 358) anzuführen.
      • Rechtsvorschriften des Bundes, die nur mit dem Zitiernamen angegeben werden, z. B. weil sie allgemein bekannt sind, erhalten keine zusätzliche Kennzeichnung; es handelt sich automatisch um eine dynamische Verweisung.
      • Eine Außenverweisung auf andere Quellen wird durch die Formulierung „in der jeweils geltenden Fassung“ zu einer dynamischen Verweisung.
    • EU-Recht eignet sich für Verweisungen nur, soweit es hinreichend bestimmt ist. Das gilt unabhängig davon, ob die Verweisungen statisch oder dynamisch sind.

      Insbesondere auf EU-Richtlinien, die den Mitgliedstaaten einen Umsetzungsspielraum lassen, darf nur statisch Bezug genommen werden (Rn. 108). Ausnahmsweise ist eine dynamische Verweisung auf EU-Richtlinien und ihre Anlagen möglich, soweit sie technische Regelungen enthalten, die unverändert ins nationale Recht übernommen werden müssen und oft geändert werden. In diesem Fall erspart die dynamische Verweisung häufige Anpassungen im nationalen Recht.

      Beispiel:

      Im Sinne dieses Gesetzes sind Biozid-Produkte: Biozid-Wirkstoffe und Zubereitungen, die einen oder mehrere Biozid-Wirkstoffe enthalten … und die einer Produktart zugehören, die im Anhang V der Richtlinie 98/8/EG aufgeführt ist, …

      EU-Rechtsakte:

      Richtlinie 98/8/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten (ABl. L 123 vom 24.4.1998, S. 1)

      Auf EU-Verordnungen darf grundsätzlich dynamisch verwiesen werden, da sie unmittelbar gelten. Näheres zu Verweisungen auf EU-Recht siehe auch Abschnitt II Unterabschnitt 6.2 Zitierung des Rechts der Europäischen Union (Rn. 190 ff.).

    • Durch Verweisung kann auch auf Vorschriften Bezug genommen werden, die gestrichen bzw. außer Kraft gesetzt wurden. Grund hierfür ist, dass der Normgeber ebenso gut den Text der betreffenden Bezugsnorm in der Verweisungsnorm wiederholen könnte. Für die Verweisung reicht es aus, dass der Bezugstext durch Publikation gesichert ist und jedermann die Möglichkeit hat, sich von ihm Kenntnis zu verschaffen. Da sich der Bezugstext nicht mehr ändern kann, ist eine solche Verweisung stets statisch; sie ist als solche zu kennzeichnen, indem auf die entsprechende Fassung Bezug genommen wird (Rn. 107 f.).

    • Auf eine noch nicht in Kraft getretene Norm kann verwiesen werden, wenn sie bereits verkündet worden ist, und somit jedermann die Möglichkeit hat, sich von ihr Kenntnis zu verschaffen.

        • Auf technische Regeln sollte grundsätzlich mit Generalklauseln Bezug genommen werden. Technische Regeln im Text selbst würden die Rechtsvorschrift mit einer Fülle fachsprachlicher Detailregeln belasten. Zusätzlich entstünde ein ständiger Novellierungsbedarf, um mit der wissenschaftlichen und technischen Entwicklung Schritt zu halten.

        • Im Interesse der Verständlichkeit der Vorschriften und einer einheitlichen Rechtsanwendung werden zur Beschreibung eines Technikstandards folgende Generalklauseln verwendet:

          • „allgemein anerkannte Regeln der Technik“ (Rn. 121),
          • „Stand der Technik“ (Rn. 122) und
          • „Stand von Wissenschaft und Technik“ (Rn. 123).

          Welche der drei Grundformen zu wählen ist, richtet sich nach dem Gefährdungspotenzial der zu regelnden Materie und seiner technischen Beherrschbarkeit. Zur Präzisierung können Formulierungen wie „allgemein anerkannte Regeln der Sicherheitstechnik“ gewählt werden.

        • Der niedrigste der drei Technikstandards wird mithilfe der Generalklausel „allgemein anerkannte Regeln der Technik“ ausgedrückt und für Fälle mit vergleichsweise geringem Gefährdungspotenzial verwendet bzw. für Fälle, die aufgrund gesicherter Erfahrungen technisch beherrschbar sind. Allgemein anerkannte Regeln der Technik sind schriftlich fixierte oder mündlich überlieferte technische Festlegungen für Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen, die nach herrschender Auffassung der beteiligten Kreise geeignet sind, das gesetzlich vorgegebene Ziel zu erreichen, und die sich in der Praxis allgemein bewährt haben.

        • Der mittlere der drei Technikstandards wird mithilfe der Generalklausel „Stand der Technik“ ausgedrückt. Als Stand der Technik gilt der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen, der nach herrschender Auffassung führender Fachleute das Erreichen des gesetzlich vorgegebenen Zieles gesichert erscheinen lässt. Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen oder vergleichbare Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen müssen sich in der Praxis bewährt haben oder sollten – wenn dies noch nicht der Fall ist – möglichst in der Praxis mit Erfolg erprobt worden sein.

          Im EU-Recht wird für diesen Standard alternativ oft die Formulierung „die besten verfügbaren Techniken“ verwendet.

        • Der höchste der drei Technikstandards wird mithilfe der Generalklausel „Stand von Wissenschaft und Technik“ ausgedrückt und in Fällen mit sehr hohem Gefährdungspotenzial verwendet. Als Stand von Wissenschaft und Technik gilt der Entwicklungsstand fortschrittlichster Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen, die nach Auffassung führender Fachleute aus Wissenschaft und Technik auf der Grundlage neuester wissenschaftlich vertretbarer Erkenntnisse im Hinblick auf das gesetzlich vorgegebene Ziel für erforderlich gehalten werden und das Erreichen dieses Ziels gesichert erscheinen lassen.

        • Eine Generalklausel kann mit einer Vermutungsregelung zugunsten bestimmter technischer Regeln verbunden werden, die die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen vermuten lassen. Die technischen Regeln können unmittelbar in der Vermutungsregelung genannt werden (einstufige Vermutungsregelung) oder vorsehen, dass sie durch eine staatliche Stelle bekannt gegeben werden (zweistufige Vermutungsregelung). Durch eine Vermutungsregelung zu einer Generalklausel soll vermieden werden, dass Anwender und Betroffene infrage kommende technische Regeln erst ermitteln müssen.

          Eine Vermutungsregelung zu einer Generalklausel schließt die Anwendung anderer technischer Regeln nicht aus. Eine Ausnahmeregelung, die die Anwendung anderer technischer Regeln zulässt, ist daher grundsätzlich nicht erforderlich. Wer sich auf andere Regeln beruft, muss jedoch im Streitfall beweisen, dass sie genauso zu den von der Generalklausel erfassten Regeln gehören.

        • Eine Vorschrift kann unmittelbar diejenigen technischen Regeln bezeichnen, bei deren Einhaltung widerleglich vermutet wird, dass damit den Anforderungen der Generalklausel entsprochen wird.

          Beispiel 1:

          Der Transportkunde hat sicherzustellen, dass das zur Einspeisung anstehende Gas den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht … Die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik wird vermutet, wenn die technischen Regeln der Deutschen Vereinigung des Gas- und Wasserfachs e. V. eingehalten worden sind.

          Beispiel 2:

          Die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik wird vermutet, wenn bei Anlagen zur Erzeugung, Fortleitung und Abgabe von

          1. Elektrizität die technischen Regeln des Verbandes der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V.,
          2. Gas die technischen Regeln der Deutschen Vereinigung des Gas- und Wasserfaches e. V.

          eingehalten worden sind.

          Diese einstufige Vermutungsregelung hat den Nachteil, dass der benannten regelsetzenden Institution eine erhebliche Macht über die Art und Weise der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen eingeräumt wird. Einstufige Vermutungsregeln zugunsten der Regeln privater Institutionen sind daher nur dann zu empfehlen, wenn sich die privaten Institutionen verpflichtet haben, ein öffentliches Verfahren analog DIN 820 – Grundsätze der Normungsarbeit[21] – einzuhalten und der staatliche Einfluss durch einen Vertrag hinreichend gesichert ist.

          __________

          [21] Zu beziehen bei der Beuth Verlag GmbH, Berlin

        • Eine zweistufige Vermutungsregelung bestimmt in der Vorschrift

          • eine Institution, die befugt ist, in einem bestimmten Verfahren die maßgeblichen technischen Regeln zu ermitteln, und
          • dass diese Regeln erst nach Entscheidung und Bekanntmachung durch eine in der Vorschrift zu benennende Behörde die widerlegliche Vermutung begründen, dass mit ihnen der gesetzlich geforderte Standard eingehalten wird.

          Beispiel für den Niederschlag einer zweistufigen Vermutungsregelung in einer Rechtsvorschrift:

          Nach § 7 Absatz 3 der Arbeitsstättenverordnung vom 12. August 2004 (BGBl. I S. 2179), die zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 22. Dezember (BGBl. I S. 3334) geändert worden ist, gehört es u. a. zu den Aufgaben des Ausschusses für Arbeitsstätten, „dem Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene entsprechende Regeln sowie sonstige gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten in Arbeitsstätten zu ermitteln“.

          Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann nach § 7 Absatz 4 der Arbeitsstättenverordnung die vom Ausschuss ermittelten Regeln und Erkenntnisse sowie Empfehlungen im Gemeinsamen Ministerialblatt bekannt machen.

          Mit deren Bekanntmachung durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales entsteht für sie die widerlegliche Vermutung, dass es sich um allgemein anerkannte Regeln oder gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse handelt, denn nach § 3a Absatz 1 Satz 3 der Arbeitsstättenverordnung ist bei Einhaltung der bekannt gemachten Regeln davon auszugehen, dass die in dieser Verordnung gestellten Anforderungen erfüllt sind. Wendet der Arbeitgeber diese Regeln nicht an, so muss er die Sicherheit und den Schutz der Gesundheit der Beschäftigten durch andere Maßnahmen erreichen.

        • Ausnahmen von den in den Generalklauseln festgelegten technischen Anforderungen können ausdrücklich zugelassen werden, wenn die Einhaltung der technischen Anforderungen auf andere Weise gewährleistet ist. Gegebenenfalls kann die Anwendung der Ausnahmeregelung von vornherein an bestimmte Voraussetzungen gebunden werden (z. B. Begutachtung durch Sachverständige, behördliche Entscheidungen).

          Beispiele:

          Ausnahmeregelung ohne Einschränkung:

          Die zuständige Behörde kann auf Antrag Ausnahmen vom Stand der Technik zulassen, wenn die Sicherheit auf andere Weise gleichermaßen gewährleistet ist.

          Ausnahmeregelung mit Einschränkung:

          Von den allgemein anerkannten Regeln der Technik darf abgewichen werden, wenn mindestens die Sicherheit im gleichen Maße wie bei Beachtung dieser Regeln nachgewiesen ist. Der Unternehmer hat den Nachweis darüber gegenüber dem Eisenbahn-Bundesamt zu führen.

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