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Handbuch der Rechtsförmlichkeit

Teil D Änderung von Gesetzen

3 Übergangsrecht aus Anlass der Änderung von Gesetzen

    • Gesetze werden mit dem Inkrafttreten wirksam. Damit erfassen sie in erster Linie Sachverhalte bzw. Rechtsverhältnisse, die erst von diesem Zeitpunkt an entstehen, aber auch solche, die zu diesem Zeitpunkt schon bestanden und noch nicht abgeschlossen waren, d. h. für die die Rechtsfolgen noch nicht vollständig eingetreten sind. Zu den nicht abgeschlossenen Rechtsverhältnissen zählen etwa bestehende Dauerschuldverhältnisse (z. B. Miete, Pacht, Ehe, Kindschaftsverhältnisse etc.) oder – je nach Verfahrensordnung – laufende behördliche oder gerichtliche Verfahren.

      Beispiel:

      Ein Arbeitsvertrag, der nach bisheriger Rechtslage aus einem bestimmten Grund gekündigt werden konnte, kann nach einem neuen Gesetz, das diesen Kündigungsgrund ausschließt, nun nicht mehr aus diesem Grund gekündigt werden, es sei denn, die Übergangsvorschrift legt für bestimmte Altverträge besondere Voraussetzungen fest.

      Einschränkung:

      Im Fachrecht können auch ohne gesetzliche Übergangsregelungen besondere, von der Rechtsprechung entwickelte Grundsätze gelten, wie bestehende Rechtsverhältnisse nach Rechtsänderungen zu behandeln sind.

      Manchmal ist es aber erforderlich und aus Gründen der Verhältnismäßigkeit geboten, für solche bestehenden und noch nicht abgeschlossenen Sachverhalte bzw. Rechtsverhältnisse besondere Regelungen vorzusehen. Diese können von der Weiteranwendung des bisherigen Rechts bis zur modifizierten Anwendung des neuen Rechts reichen und haben nur so lange Bedeutung, wie Sachverhalte und Rechtsverhältnisse bestehen, die die darin geregelten Voraussetzungen erfüllen. Solche Regelungen von temporärer Bedeutung heißen Übergangsvorschriften[35].

      Übergangsvorschriften sollen klar und eindeutig erkennbar machen, welche schon bestehenden und noch nicht abgeschlossenen Sachverhalte besonders geregelt werden.

      __________

      [35] Neben der Bezeichnung „Übergangsvorschrift“ werden die Bezeichnungen „Übergangsregelung“, „Anwendungsvorschrift“ oder „Anwendungsregelung“ synonym verwendet.

    • Übergangsregelungen werden immer in das jeweilige Stammgesetz eingefügt und stehen dort gewöhnlich in den Schlussvorschriften. Wenn Übergangsvorschriften in einem Paragrafen („Übergangsvorschriften“) gebündelt werden, sollte jeder Sachverhalt in einem eigenen Absatz geregelt werden.

      Beispiel 1:

      § 69
      Übergangsvorschriften

      (1) Sind strafrechtliche Verurteilungen, die nicht durch deutsche Gerichte im Geltungsbereich dieses Gesetzes ergangen sind, vor dem 1. August 1984 in das Zentralregister oder das Erziehungsregister eingetragen worden, so ist die Eintragung nach den bis zum Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes vom 17. Juli 1984 (BGBl. I S. 990) geltenden Vorschriften zu behandeln.

      (2) Verurteilungen wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 180 oder § 182 des Strafgesetzbuches zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe, die vor dem 1. Juli 1998 in das Zentralregister eingetragen wurden, werden nach den Vorschriften dieses Gesetzes in der ab dem 1. Juli 1998 geltenden Fassung behandelt. In ein Führungszeugnis oder eine unbeschränkte Auskunft werden vor dem 30. Januar 1998 erfolgte Verurteilungen nur aufgenommen, soweit sie zu diesem Zeitpunkt in ein Führungszeugnis oder eine unbeschränkte Auskunft aufzunehmen waren.

      (3) Eintragungen nach § 11, die vor dem 1. Oktober 2002 erfolgt sind, werden nach 20 Jahren aus dem Zentralregister entfernt. Die Frist beginnt mit dem Tag der Entscheidung oder Verfügung. § 24 Absatz 4 gilt entsprechend.

      (4) Verurteilungen wegen einer Straftat nach den §§ 171, 180a, 181a, 183 bis 184f, 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder § 236 des Strafgesetzbuchs, die vor dem 1. Mai 2010 in das Zentralregister eingetragen wurden, werden nach den Vorschriften dieses Gesetzes in der ab 1. Mai 2010 geltenden Fassung behandelt.

      (5) § 21 Satz 2 in der ab dem 29. Juli 2017 geltenden Fassung ist erst ab dem 1. Mai 2018 anzuwenden. Bis zum 30. April 2018 ist § 21a Satz 2 in der am 20. November 2015 geltenden Fassung weiter anzuwenden.

      Übersichtlicher ist es, aus Anlass jedes einzelnen Änderungsgesetzes eine eigene Übergangsvorschrift im Stammgesetz zu bilden.

      Beispiel 2:

      § 77
      Übergangsvorschrift aus Anlass des Professorenbesoldungsreformgesetzes

      § 77a
      Übergangsvorschrift aus Anlass des Professorenbesoldungsneuregelungsgesetzes

      Wenn zu dem Stammgesetz ein Einführungsgesetz vorhanden ist, sind Übergangsregelungen stets dort zu verorten (Rn. 620 ff.).

    • In Mantelgesetzen und Einzelnovellen sind gesonderte Artikel, die Übergangsvorschriften zu den zuvor angeordneten Rechtsänderungen oder andere zu einem Stammgesetz gehörende Regelungen enthalten, nicht zulässig, selbst wenn die Änderung mehrerer Stammgesetze in einem Mantelgesetz gleichartige Übergangsregelungen für jedes Gesetz erfordert. Ein solcher Artikel würde vorhandenes Stammrecht nicht ändern, sondern würde zu einem „Nebenstammgesetz“ mit oft schwer bestimmbarer Geltungsdauer führen. Das Mantelgesetz oder die Einzelnovelle würde wegen dieses Artikels wie ein Stammgesetz im Bestand des geltenden Bundesrechts dokumentiert werden.

      Solche Regelungsreste sind im Normenbestand schwer zu finden und machen so das geltende Recht unübersichtlich. Derartige Reste sind deshalb zu vermeiden.

      Praxistipp

      Noch bestehende Regelungsreste (Änderungsgesetze mit Übergangsregelungen in einem gesonderten Artikel) sollten gestrichen werden oder – falls sie noch Anwendungsfälle haben – in die Schlussvorschriften eines passenden Stammgesetzes oder in ein dazugehöriges Einführungsgesetz überführt werden. Dies ist ein wichtiger Beitrag zur Rechtsbereinigung.

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