Use of cookies
Cookies help us to provide our services. By using our website you agree that we can use cookies. Read more about our Privacy Policy and visit the following link: Privacy Policy
Teil B Allgemeine Regeln zur rechtsförmlichen und sprachlichen Gestaltung von Rechtsvorschriften
Abschnitt III Allgemeine Regeln für verständliche Rechtsvorschriften
4 Empfehlungen zum Satzbau
4.1
Grundsätze
Randnummer: 280 Möglichst einfacher Satzbau
Regelungen sollten nicht unnötig komplex und kompliziert gefasst werden. Sind lange Sätze jedoch nicht vermeidbar, so ist hier ganz besonders darauf zu achten, dass alle grammatischen und semantischen Bezüge richtig sind (Rn. 286 ff.). Denn die Verständlichkeit wird umso stärker behindert, je mehr verständnishemmende oder -erschwerende Merkmale (z. B. langer Satz, komplizierter Satzbau, mehrere Negationselemente etc.) zusammen vorkommen.
Komplizierte Sätze behindern auch die Zitierbarkeit der einzelnen Aspekte einer Regelung (vgl. auch Praxistipp 1 und Rn. 296).
Enthält ein langer Satz eine lange Aufzählung oder eine kurze Aufzählung mit langen Aufzählungsgliedern, ist oft eine Strukturierung mithilfe einer Liste sinnvoll. Dies dient sowohl der Übersichtlichkeit und Verständlichkeit als auch der Zitierbarkeit der einzelnen Elemente (z. B. bei verschiedenen Alternativen, auf die dann separat Bezug genommen werden kann).
(Vgl Rn. 291 ff.)
Beispiel 1:
statt:
§ 3
Verzeichnisse über Jugendliche
Arbeitgeber haben Verzeichnisse der bei ihnen beschäftigten Jugendlichen unter Angabe des Vor- und Familiennamens, des Geburtsdatums und der Wohnanschrift zu führen, in denen das Datum des Beginns der Beschäftigung bei ihnen, bei einer Beschäftigung unter Tage auch das Datum des Beginns dieser Beschäftigung, enthalten ist.
besser:
§ 3
Verzeichnisse über Jugendliche
Arbeitgeber haben Verzeichnisse über die bei ihnen beschäftigten Jugendlichen zu führen. Diese Verzeichnisse müssen folgende Angaben enthalten:
Sollen bei einem Änderungsvorhaben in einem bereits langen und unübersichtlichen Satz noch weitere inhaltliche Zusätze ergänzt werden, sollte die Änderung als Gelegenheit genutzt werden, die den jeweiligen Satz umgebende Struktur zu überdenken und ggf. zu verändern. Denn die geplante weitere „Ergänzung“ könnte den Satz überfrachten, sodass er schwerverständlich würde. Besser ist es meist, mit dem zu ergänzenden Regelungsinhalt einen neuen Satz zu bilden oder den gesamten Absatz neu zu formulieren.
Randnummer: 281 Handelnde oder Handlungen deutlich machen
Ein Sachverhalt kann aus verschiedenen Perspektiven dargestellt werden: Steht der Handelnde (handelnde Person, Behörde etc.) im Fokus, kann er durch eine Verbform im Aktiv hervorgehoben werden.
Für Rechtsvorschriften gilt: Wird durch eine Regelung jemand zu einer Handlung verpflichtet, soll er im Satz als Handelnder erscheinen.
Beispiel 1:
Die Prüfungsbehörde teilt dem Bewerber Zeitpunkt und Ort der Prüfung mit.
Steht hingegen die Handlung (bzw. ein Verfahren oder ein Prozess) und somit ein bestimmtes Tun oder Unterlassen im Vordergrund und spielen die Handelnden keine oder nur eine untergeordnete Rolle, so kann der Satz im Passiv formuliert werden.
Beispiel 2:
Zeitpunkt und Ort der Prüfung werden dem Bewerber mitgeteilt.
Wenn das Passiv verwendet wird, muss sich der Handelnde aus anderen Vorschriften bzw. dem Kontext ermittelt lassen. Das ist unproblematisch, wenn sich die Systematik der Regelungen gut erschließt.
Beispiel 3:
Bei einer Investmentaktiengesellschaft mit Teilgesellschaftsvermögen und bei einer Investmentkommanditgesellschaft mit Teilgesellschaftsvermögen müssen die Angaben des Anhangs für jedes Teilgesellschaftsvermögen gesondert erfolgen.
Erläuterung: Im Satz wird die Handlung in den Vordergrund gestellt, ohne dass der Handelnde genannt wird, denn es geht um die Darstellung der Angaben im Interesse der Allgemeinheit. Welche Person diese Angaben machen muss bzw. wer bei Verletzung der Pflicht dafür haftet, ist eine Frage des Innenverhältnisses der Gesellschaft, denn juristische Personen, wie im Beispiel, handeln nicht als solche, sondern durch natürliche Personen. Die Regelung ist verständlich, wenn sich aus der Systematik der Regelungen des Gesetzes – etwa Regelungen zu Vertretungsbefugnissen – leicht erkennbar ergibt, wessen Aufgabe es innerhalb der Gesellschaft ist, die Angaben zu machen.
Randnummer: 282 Eine Regelungsaussage pro Satz
Ein Satz sollte nicht mehr als eine Regelungsaussage enthalten (Rn. 264). Dies zwingt bei der Rechtsetzung zu gedanklicher Klarheit, verbessert die Verständlichkeit und erleichtert die Zitierbarkeit.
Fehlbeispiel:
Die Steuerentlastung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 4 wird in Höhe der auf den Biokraftstoffanteil und die Steuerentlastung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3 in Höhe der auf den Anteil an besonders förderungswürdigen Biokraftstoffen entfallenden Steuer gewährt.
Problem: In zwei durch „und“ verbundenen Teilsätzen werden Regelungen zu unterschiedlichen Formen der Steuerentlastung getroffen. Das Verständnis des Satzes wird dadurch erschwert, dass der sich auf beide Teilsätze beziehende Bestandteil „entfallenden Steuer gewährt“ erst am Satzende steht.
Lösungsmöglichkeit: Die Teilsätze können in zwei separate Hauptsätze aufgeteilt werden. Die einzelnen Regelungsinhalte sind dadurch leichter erfassbar. Zudem bietet es sich an, die längeren Attributketten vor dem Nomen jeweils in einen Relativsatz umzuwandeln.
Die Steuerentlastung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 4 wird in Höhe der Steuer gewährt, die auf den Biokraftstoffanteil entfällt. Die Steuerentlastung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3 wird in Höhe der Steuer gewährt, die auf den Anteil an besonders förderungswürdigen Biokraftstoffen entfällt.
Randnummer: 283 Satzbaumuster für Systematik nutzen
Regelungen gleichen Typs oder Regelungen mit ähnlichem Inhalt sollen möglichst mithilfe jeweils gleicher Satzbaumuster formuliert und auch in rechtsförmlicher Hinsicht gleichartig gestaltet werden. Dieses Vorgehen erleichtert die systematische Einordnung von Regelungen, unterstützt die Einheitlichkeit der gesamten Rechtsordnung und dient damit auch der Verständlichkeit (vgl. Rn. 257).
4.2
Satzbaumuster
Randnummer: 284 Satzbau für Tatbestand und Rechtsfolge
In Rechtsvorschriften müssen Tatbestand, Rechtsfolgen und Bedingungen klar erkennbar sein. Dies kann durch bestimmte Satzbaumuster befördert werden. So werden etwa die tatbestandlichen Voraussetzungen oft in einem Satzgefüge nach dem Muster „wenn x, dann y“ bzw. „ist/sind x, so y“ vor der Rechtsfolge genannt. Auch die umgekehrte Reihenfolge ist möglich.
Beispiel 1:
Ist der gesetzliche Vertreter ein Vormund, so kann die Ermächtigung, wenn sie von ihm verweigert wird, auf Antrag des Minderjährigen durch das Familiengericht ersetzt werden. Das Familiengericht hat die Ermächtigung zu ersetzen, wenn sie im Interesse des Mündels liegt.
Beispiel 2:
Kann ein Volljähriger seine Angelegenheiten ganz oder teilweise rechtlich nicht besorgen und beruht dies auf einer Krankheit oder Behinderung, so bestellt das Betreuungsgericht für ihn einen rechtlichen Betreuer (Betreuer). … Ein Betreuer darf nur bestellt werden, wenn dies erforderlich ist.
Randnummer: 285 Satzbau für Regel und Ausnahme
Regeln und Grundsätze sowie ihre Ausnahmen und Einschränkungen sollten in Rechtsvorschriften deutlich erkennbar sein und möglichst nicht nur rechtssystematisch und rechtsförmlich, sondern auch syntaktisch voneinander getrennt werden.
Beispiel:
Dem ehrenamtlichen Betreuer steht grundsätzlich kein Anspruch auf Vergütung zu. Das Betreuungsgericht kann ihm abweichend von Satz 1 eine angemessene Vergütung bewilligen, wenn
4.3
Eindeutige Bezüge im Satz
Randnummer: 286 Eindeutige Bezüge
Bei der Formulierung einer Rechtsnorm ist darauf zu achten, dass die grammatischen und semantischen Bezüge zwischen den Wörtern, Wortgruppen und Sätzen eindeutig sind.
Unklare oder mehrdeutige Bezüge können verschiedene Gründe haben. An folgenden Fallgruppen soll gezeigt werden, wie so umformuliert werden kann, dass nur die gewünschte Lesart der Norm möglich ist:
Fehlbeispiel 1:
Lehnt die Vollstreckungsbehörde die Bewilligung der Vollstreckung der freiheitsentziehenden Sanktion in einem anderen Mitgliedstaat ab, begründet sie diese Entscheidung.
Problem: Durch das Aneinanderreihen mehrerer Substantivgruppen gibt es zwei Lesarten, weil unklar ist, was zusammengehört: die Bewilligung in einem anderen Mitgliedstaat oder die Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat.
Lösungsmöglichkeit: Die jeweiligen Substantivgruppen werden in Nebensätze umgeformt:
Bewilligt die Vollstreckungsbehörde nicht, dass die freiheitsentziehende Sanktion in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt wird, so begründet sie diese Entscheidung.
Fehlbeispiel 2:
Die zuständige Behörde informiert die Staatsanwaltschaft. Sie kann Auflagen und Weisungen nachträglich aufheben und die Frist nach Absatz 1 einmal für die Dauer von sechs Monaten verlängern.
Problem: Das Pronomen „sie“ lässt sich nicht nur auf das gemeinte Bezugswort „die zuständige Behörde“ beziehen, sondern grammatisch ebenso auf „Staatsanwaltschaft“.
Lösungsmöglichkeit: Das gewünschte Bezugswort wird wiederholt:
Die zuständige Behörde informiert die Staatsanwaltschaft. Die zuständige Behörde kann Auflagen und Weisungen nachträglich aufheben. Sie kann die Frist nach Absatz 1 einmal für die Dauer von sechs Monaten verlängern.
Fehlbeispiel 3:
Umgangsrecht mit einem gemeinsamen minderjährigen Kind
Problem: Hier wird „Recht“ (das Grundwort der Zusammensetzung) fälschlicherweise mit der Präposition „mit“ verbunden, die jedoch nur zum Bestimmungswort („Umgang“) passt.
Lösungsmöglichkeit: Auflösung des zusammengesetzten Substantivs:
Recht auf Umgang mit einem gemeinsamen minderjährigen Kind
Randnummer: 287 Nominal- und Verbalklammern
Damit semantische und grammatische Bezugnahmen klar und einfach formuliert werden können, sollten Nominal- bzw. Verbalklammern nicht unnötig groß sein.
Nominalklammern entstehen, wenn zwischen Substantiv und dazugehörigem Artikel Attribute geschoben werden (z. B. „die regelmäßig alle zwei Jahre stattfindende Veranstaltung“).
Verbalklammern entstehen z. B. bei zusammengesetzten Verben (z. B. „nimmt ... teil“) oder bei mehrteiligen Prädikaten (z. B. „hat … durchgeführt“; „soll … durchführen“; zum Vermeiden von großen Satzklammern bei mehrteiligen Prädikaten siehe Rn. 289).
Randnummer: 288 Nominalklammern verkleinern
Viele Informationen innerhalb der Nominalklammer erschweren die Verständlichkeit. Dies lässt sich vermeiden, indem z. B. Attribute in einen Relativsatz ausgelagert werden. Dieses Verfahren bietet sich besonders bei umfangreichen Partizipialgruppen an.
Fehlbeispiel:
Die durchschnittlichen untertägigen Stromhandelspreise berechnen sich für das in Bezug genommene Jahr aus den von der von dem Übertragungsnetzbetreiber am meisten genutzten Strombörse veröffentlichten gemittelten Stundenpreisen für den untertägigen Handel.
Problem: Die Substantivgruppe „den … Stundenpreisen“ wird durch eine Vielzahl eingeschobener und wiederum verschachtelter Attribute zu einer unübersichtlichen und damit verständlichkeitshemmenden Nominalklammer ausgeweitet.
Lösungsmöglichkeit: Die komplexe Attributstruktur wird aufgelöst, die einzelnen Attribute werden auf zwei Sätze verteilt. Zwei Attribute stehen im ersten Satz, in dem nun der Artikel und das zugehörige Substantiv nah beieinanderstehen. Die weiteren Attribute werden in einen zweiten Satz mit Relativsatz ausgelagert, sodass auch hier jeweils der Artikel und das zugehörige Substantiv nah beieinanderstehen (jeweils unterstrichen), die Nominalklammer also klein gehalten wird.
Die durchschnittlichen untertägigen Stromhandelspreise berechnen sich für das in Bezug genommene Jahr aus den gemittelten Stundenpreisen für den untertägigen Handel. Grundlage der Berechnung sind die veröffentlichten Stundenpreise der Strombörse, die der Übertragungsnetzbetreiber am meisten genutzt hat.
Randnummer: 289 Verbalklammern verkleinern
Mehrteilige Prädikate können sogenannte Verbalklammern (auch Satzklammer genannt) bilden. Mehrteilig sind Prädikate, wenn eine der folgenden Konstruktionen vorliegt:
Eine Verbalklammer soll möglichst wenige andere Satzglieder (z. B. Objekte, Adverbialbestimmungen – auch in Form ganzer Nebensätze) enthalten. Der Gefahr, eine Verbalklammer zu überfrachten, kann mit folgenden sprachlichen Mitteln begegnet werden:
Fehlbeispiel 1:
Die Einstellungsbehörde kann Angehörigen ihres Hauses, in Ausnahmefällen auch anderen mit der Ausbildung von Anwärtern und Anwärterinnen für den gehobenen Archivdienst des Bundes befassten Personen, die Anwesenheit in der mündlichen Prüfung allgemein oder im Einzelfall gestatten.
Problem: Die Verbalklammer aus dem Modalverb „kann“ und dem dazugehörigen Vollverb „gestatten“ ist durch einen umfangreichen Einschub unnötig geweitet. So wird die Verständlichkeit unnötig beeinträchtigt.
Lösungsmöglichkeit: Der Einschub wird in einen „dass“-Satz umformuliert (ausgeklammert), sodass die beiden Prädikatsteile näher beieinanderstehen und das Vollverb im Satz weit vorn steht; die Ausnahme wird in einen eigenen Satz ausgelagert (weiterer Vorteil: es wird jetzt erst der Grundsatz geregelt und dann die Ausnahme):
Die Einstellungsbehörde kann allgemein oder im Einzelfall gestatten, dass Angehörige ihres Hauses in der mündlichen Prüfung anwesend sind. In Ausnahmefällen kann die Anwesenheit auch anderen Personen gestattet werden, die mit der Ausbildung von Anwärterinnen und Anwärtern für den gehobenen Archivdienst des Bundes befasst sind.
Fehlbeispiel 2:
Der Medizinische Dienst hat Maßnahmen zur Rehabilitation, zu Art und Umfang von Pflegeleistungen sowie einen individuellen Pflegeplan zu empfehlen.
Problem: Da das Vollverb als der Teil des Prädikats, der die Verbbedeutung trägt („empfehlen“), erst am Ende des Satzes steht, bleibt für den Leser zunächst unklar, was zu den Elementen, die in der Verbalklammer aufgezählt werden, geregelt werden soll.
Lösungsmöglichkeit: Die Verpflichtung kann mit dem hier imperativisch gebrauchten Präsens ausgedrückt werden.
Der Medizinische Dienst empfiehlt Maßnahmen zur Rehabilitation, zu Art und Umfang von Pflegeleistungen sowie die Erstellung eines individuellen Pflegeplans.
Randnummer: 290 Verkürzungen vermeiden
Verkürzungen sparen gedankliche Zwischenschritte aus. Anders als in anderen Textsorten sind sie in Rechtsvorschriften oft nicht hinnehmbar, da sie die Eindeutigkeit der jeweiligen Regelungen gefährden und die Verständlichkeit erschweren können.
Fehlbeispiel 1:
Zur Vervollständigung des Urteils sind der Tatbestand und die Entscheidungsgründe nachträglich abzufassen, von den Richtern gesondert zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übergeben.
Problem: Es fehlt eine Aussage, die eindeutig erkennen lässt, ob das vollständige Urteil oder nur die nachträglich abgefassten Teile der Geschäftsstelle übergeben werden müssen.
Lösungsmöglichkeit: Ausformulierung des fehlenden Zwischenschritts bzw. -gedankens
entweder:
Zur Vervollständigung des Urteils sind der Tatbestand und die Entscheidungsgründe nachträglich abzufassen und von den Richtern gesondert zu unterschreiben; das vollständige Urteil ist der Geschäftsstelle zu übergeben.
oder:
Zur Vervollständigung des Urteils sind der Tatbestand und die Entscheidungsgründe nachträglich abzufassen und von den Richtern gesondert zu unterschreiben; die Niederschrift des Tatbestands und der Entscheidungsgründe ist der Geschäftsstelle zu übergeben.
Auch bei der Verwendung von mit einem Attribut versehenen Zusammensetzungen (Komposita) entstehen oft unzulässige Verkürzungen, die zu Bezugsfehlern führen.
Fehlbeispiel 2:
… bei leitungsgebundenen Wasser- und Energielieferungsverträgen …
Problem: Die Kombination von Adjektiv und Kompositum führt hier zu einer falschen Gesamtbedeutung der Phrase, denn nicht die Verträge sind leitungsgebunden, sondern die Lieferung von Wasser und Energie (und die Lieferung wiederum ist vertraglich geregelt).
Lösungsmöglichkeit: Entflechtung und Ausformulierung der zwei Aussagen:
… bei Verträgen zu leitungsgebundener Wasser- und Energielieferung …
Verkürzungen entstehen auch durch das Auslassen gleicher Wortteile, Wörter, Wortgruppen oder Satzteile (sog. Ellipsen). In einer Rechtsvorschrift sind Ellipsen nur zulässig, wenn die jeweilige Regelung weiterhin eindeutig ist und keine Bezugsfehler enthält, z. B. „Betonherstellung und -verarbeitung“. Ergibt sich mehr als nur eine Lesart, muss umformuliert werden (z. B. bei „Ehe- und Familienstreitsachen“, da unklar bliebe, ob es um „Ehesachen“ oder „Ehestreitsachen“ geht).
4.4
Aufzählungen
Randnummer: 291 Arten von Aufzählungen
In Rechtsvorschriften werden Aufzählungen unterschieden
Randnummer: 292 Alternative vs. kumulative Aufzählung
Eine Aufzählung muss in einer Rechtsvorschrift eindeutig erkennen lassen, ob die aufgezählten Elemente kumulativ oder alternativ miteinander verbunden sein sollen. Die Art der Verknüpfung soll durch den Einleitungssatz klar werden. Die einzelnen Glieder einer Aufzählung werden durch Kommas voneinander getrennt. Eine kumulative Verknüpfung der Aufzählungsglieder wird unterstützend durch die Konjunktion „und“ vor dem letzten Aufzählungsglied signalisiert, eine alternative Verknüpfung durch ein „oder“ an dieser Stelle.
Sind die Aufzählungsglieder selbst schon komplex und kommt das Wort „und“ in ihnen eventuell schon vor, kann das letzte Glied der Aufzählung mit „sowie“ angeschlossen werden. Wird ein „oder“ verwendet, muss aus der Norm auch zweifelsfrei hervorgehen, ob es ausschließenden oder einschließenden Charakter hat. Erschließt sich dies nicht eindeutig aus dem Kontext, ist Klarstellung geboten:
Fehlbeispiel 1:
Der Betrag der Rücklagen ist in der Bilanz gesondert auszuweisen oder im Anhang anzugeben.
Problem: Fraglich ist, wie der Betrag der Rücklagen auszuweisen ist, d. h., ob nur eine Möglichkeit gewählt werden darf oder lediglich Wahlfreiheit signalisiert wird und es unschädlich wäre, wenn der Betrag sowohl in der Bilanz als auch im Anhang ausgewiesen würde.
Lösungsmöglichkeit: Wenn nur eine der beiden Arten, den Betrag in der Bilanz auszuweisen, möglich ist, kann dies mit Hilfe der Wendung „entweder ... oder“ klargestellt werden.
Der Betrag der Rücklagen ist entweder in der Bilanz gesondert auszuweisen oder im Anhang anzugeben.
Fehlbeispiel 2:
(5) Die Verwendung eines Vektors kann unter folgenden Voraussetzungen als Teil einer biologischen Sicherheitsmaßnahme anerkannt werden:
Problem: Es muss fachlich geklärt sein, ob die einzelnen Voraussetzungen sich von vornherein gegenseitig ausschließen oder mehrere gemeinsam erfüllt sein können. Das Ergebnis dieser fachlichen Klärung ist im Fehlbeispiel sprachlich nicht eindeutig ausgedrückt.
Lösungsmöglichkeit: Wenn es möglich sein soll, dass mehrere Voraussetzungen gemeinsam erfüllt sind, kann dies mit Hilfe der Wendung „mindestens eine der folgenden Voraussetzungen“ klargestellt werden.
(5) Die Verwendung eines Vektors kann als Teil einer biologischen Sicherheitsmaßnahme anerkannt werden, wenn mindestens eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:
Randnummer: 293 Beispielhafte vs. abschließende Aufzählung
Mit einer beispielhaften (auch: nicht abschließenden oder demonstrativen) Aufzählung, die durch Formulierungen wie „insbesondere“ oder „dazu gehören“ eingeleitet wird, gibt der Normgeber eine Orientierung, welche weiteren Fälle – neben den ausdrücklich genannten – subsumiert werden können. Bei einer abschließenden Aufzählung sind hingegen nur die genannten Fälle von der Norm erfasst. Dies kann durch Formulierungen wie „ausschließlich“ und „nur“ signalisiert werden.
Randnummer: 294 Aufzählung in Listenform
Es fördert die Verständlichkeit einer Regelung deutlich, wenn eine darin enthaltene Aufzählung mehrerer Elemente die Form einer nummerierten Liste hat. Eine Liste ermöglicht durch die Nummerierung der einzelnen Elemente außerdem deren genaue Zitierung.
Beispiel:
Ungeachtet anderer gesetzlicher Regelungen über die Verschwiegenheitspflicht gilt diese nicht, soweit
Randnummer: 295 Gestaltung listenförmiger Aufzählungen
Die einzelnen Aufzählungsglieder einer listenförmigen Aufzählung sollen nicht zu umfangreich sein und dürfen inhaltlich nicht überfrachtet werden. Die Aufzählungsglieder sind durch Komma bzw. komplexe Aufzählungsglieder durch Semikolon voneinander zu trennen. Das vorletzte Aufzählungsglied soll mit einer Konjunktion enden, die zusammen mit dem Einleitungssatz eindeutig signalisiert, ob es sich um eine kumulative („und“) oder alternative Aufzählung („oder“) handelt.
Ferner dürfen die Aufzählungsglieder weder grammatisch eigenständige Sätze sein noch solche enthalten, da solche „Sätze in Sätzen“ der hierarchischen Ordnung der rechtsförmlichen Gliederungseinheiten widersprechen und Verweisungen hierauf oft falsch verstanden werden. In Rechtsvorschriften besteht eine listenförmige Aufzählung also immer aus nur einem einzigen Satz (vgl. Rn. 385).
Fehlbeispiel:
Hinsichtlich der Beteiligung bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen des Bundes gilt § 10 mit den folgenden Maßgaben:
Problem: Die Formulierung von ganzen Sätzen innerhalb der Nummer 3 widerspricht der rechtsförmlich festgelegten hierarchischen Anordnung von Gliederungsebenen (Satz > Nummer > Buchstabe). Die Gliederungsebene „Satz“ würde hier – da unterhalb der Gliederungsebene „Nummer“ – falsch verwendet.
Lösungsmöglichkeit: Alle Gliederungspunkte der Liste werden als separate Absätze gefasst. Der ursprüngliche Einleitungssatz vor der Liste bildet den Absatz 1 und verweist voraus auf die folgenden neuen Absätze, in denen die einzelnen Maßgaben geregelt werden. Innerhalb der Absätze können die Maßgaben dann in mehreren Sätzen ausgeführt werden.
(1) Hinsichtlich der Beteiligung bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen des Bundes gilt § 10 mit den Maßgaben der Absätze 2 bis 5.
(2) [bisherige Nummer 1]
(3) [bisherige Nummer 2]
(4) Wird der Planentwurf nach Durchführung der Verfahrensschritte nach den Absätzen 2 und 3 geändert, ist der geänderte Teil erneut auszulegen; insoweit sind die Stellungnahmen erneut einzuholen. Die Dauer der Auslegung und die Frist zur Stellungnahme kann angemessen verkürzt werden. Werden durch die Änderung des Planentwurfs die Grundzüge der Planung nicht berührt, kann die Einholung der Stellungnahmen auf die von der Änderung betroffene Öffentlichkeit sowie auf die in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen beschränkt werden.
(5) [bisherige Nummer 4]
Randnummer: 296 „Sandwich“-Strukturen bei Listen vermeiden
Ein Satz sollte nach einer listenförmigen Aufzählung nicht fortgesetzt werden, d. h., eine „Sandwich“-Struktur soll vermieden werden.
Die Aussage eines Satzes in „Sandwich“-Form ist umso schwerer zu erfassen, je umfangreicher die eingeschobene Aufzählung ist. Außerdem besteht die Gefahr, dass nicht offensichtlich ist, ob sich der Satzteil nach der Aufzählung nur auf das letzte Aufzählungselement oder auf die gesamte Aufzählung bezieht.
Meist lässt sich eine „Sandwich“-Form vermeiden, indem der Einleitungssatz so formuliert wird, dass der Satz mit dem letzten Aufzählungselement endet.
Fehlbeispiel:
Im Falle der tatsächlichen Betreuung oder Pflege
ist auf Antrag ein Vorbereitungsdienst in Teilzeitausbildung zu ermöglichen.
Lösungsmöglichkeit:
Ein Vorbereitungsdienst in Teilzeitausbildung ist auf Antrag zu ermöglichen
Falls die Wortstellung des Einleitungssatzes durch diese Umstellung ungewöhnlich wirkt, kann für die Inhalte der Nummern „folgende“ zusammen mit einem Oberbegriff für die aufgezählten Elemente oder „Folgendes“ eingefügt werden.
Beispiel:
Über die in den Absätzen 1 und 2 genannten Zwecke hinaus dürfen zuständigen öffentlichen Stellen personenbezogene Daten übermittelt werden, soweit dies für folgende Zwecke [alternativ: für mindestens einen der folgenden Zwecke / für Folgendes] erforderlich ist:
Manchmal ist die „Sandwich“-Form jedoch unumgänglich, dann allerdings sollte der Satzteil nach der Aufzählung keinen Regelungsgehalt haben, der in anderen Normen in Bezug genommen werden könnte. In Fällen, in denen doch auf einen Satzteil nach der Aufzählung Bezug genommen werden muss, ist dies nur mithilfe einer wörtlichen Wiedergabe möglich, denn Ausdrücke wie „Teilsatz“ oder „Halbsatz“ sind keine rechtsförmlichen Gliederungseinheiten und bei komplexen Satzgebilden nicht eindeutig.
Randnummer: 297 Bezüge in Sätzen mit listenförmigen Aufzählungen
Ein Satz mit einer listenförmigen Aufzählung muss als Ganzes eine Aussage ergeben, also linear lesbar sein. Zugleich muss jedes einzelne Aufzählungsglied der Liste zusammen mit dem Einleitungssatz eine Aussage ergeben, d. h., der Satz muss auch modular lesbar sein.
In solchen Sätzen ist auf pronominale Wörter (z. B. „diese“, „sie“, „er“, „dabei“) besonders zu achten.
Fehlbeispiel:
(1) Die Vollstreckung ist nicht zulässig, wenn
Problem: Der Absatz lässt sich nur linear lesen: Die Nummern 2 und 3 sind nur in Verbindung mit Nummer 1 verständlich, da das Pronomen „sie“ Bezug nimmt auf „verurteilte Person“. Würde man modular lesen und den Einleitungssatz nur in Verbindung mit Nummer 2 oder 3 lesen, so würde sich das Pronomen „sie“ auf „Vollstreckung“ beziehen und die Regelungen ergäben keinen Sinn.
Lösungsmöglichkeit: Das Bezugswort ist in den Einleitungssatz zu ziehen oder für jede Nummer explizit zu wiederholen.
(1) Die Vollstreckung ist nicht zulässig, wenn die verurteilte Person
4.5
Negation
Randnummer: 298 Negationen sparsam verwenden
In einem Satz sollte idealerweise nur ein Negationselement verwendet werden. Die doppelte Verneinung birgt grundsätzlich Verständnishürden, weil Mehrdeutigkeit entstehen kann und die Verständlichkeit unnötig beeinträchtigt wird.
Herkömmliche explizite Negationselemente sind Formulierungen mit „kein“, „nicht“, „un-“, „-los“ etc. Es sind aber auch implizite Negationen zu beachten, etwa:
Randnummer: 299 Negation durch „weder … noch“
Folgt auf ein Negationselement eine mit „oder“ bzw. mit „und“ verknüpfte Aufzählung, bleibt oft unklar, ob sich die Negation nur auf das erste Aufzählungsglied oder auf alle Teile der Aufzählung beziehen soll.
Damit die Norm eindeutig ist, kann das Negationselement wiederholt werden oder eine andere Struktur gewählt werden. So werden z. B. mithilfe der mehrteiligen Konjunktion „weder … noch“ zwei Elemente gleichzeitig negiert.
Fehlbeispiel:
Dieses Gesetz gilt für alle Gremien an deren Besetzung der Bund mitwirkt. Es gilt nicht für die Ernennung der Mitglieder der Bundesregierung und für die Begründung der Mitgliedschaft in Gremien der Gerichtsbarkeit und der Deutschen Bundesbank.
Problem: Es ist unklar, wie weit die Negation von „nicht“ reichen soll: Wirkt sie nur bis zum „und“ oder auch noch darüber hinaus? Durch die nicht eindeutige Negation bleibt unklar, ob das Gesetz für „die Begründung der Mitgliedschaft in Gremien …“ gelten soll oder nicht.
Lösungsmöglichkeit: Falls beide Aufzählungselemente negiert werden sollen, können beide Elemente gleichzeitig und eindeutig mit „weder … noch“ negiert werden:
Dieses Gesetz gilt für alle Gremien an deren Besetzung der Bund mitwirkt. Es gilt weder für die Ernennung der Mitglieder der Bundesregierung noch für die Begründung der Mitgliedschaft in Gremien der Gerichtsbarkeit und der Deutschen Bundesbank.