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Handbuch der Rechtsförmlichkeit

Teil B Allgemeine Regeln zur rechtsförmlichen und sprachlichen Gestaltung von Rechtsvorschriften

Abschnitt III Allgemeine Regeln für verständliche Rechtsvorschriften

3 Empfehlungen zum Textaufbau

  • Der Text einer Rechtsvorschrift bildet ein aus einzelnen Regelungen bestehendes Ganzes, das als solches geplant und formuliert werden muss (Rn. 44). Juristische, auch rechtssystematische Zusammenhänge zwischen den einzelnen Regelungsinhalten sollen auch auf der sprachlichen Oberfläche erkennbar sein.

    Unterstützt wird eine fundierte und nachvollziehbare Ordnung des Textes durch eine entsprechende Strukturierung mit den rechtsförmlichen Gliederungseinheiten und durch passende sprachliche Mittel (z. B. korrekte und klare Bezüge; kohärente Satzfolgen; Konsistenz).

    • Um den Inhalt einer Regelung mit sprachlichen Mitteln angemessen auszudrücken, muss eine Ordnung gefunden werden, die der sachlichen und logischen Struktur der zu regelnden Materie entspricht (Rn. 44).

      In einem inhaltlich gut strukturierten Regelungstext steht sachlich Zusammengehöriges auch räumlich zusammen. Die Aufteilung der Regelungsmaterie auf verschiedene Gliederungseinheiten (z. B. Paragrafen oder Absätze) bzw. die Abfolge der Regelungen richtet sich nach folgenden Ordnungsprinzipien (wobei nicht immer alle Prinzipien gleichermaßen berücksichtigt werden können):

      • vom Allgemeinen zum Besonderen bzw. das Grundsätzliche vor den Einzelheiten,
      • die Regel vor der Ausnahme,
      • materielle Regelungen vor Verfahrens- und Zuständigkeitsregelungen,
      • Pflichten vor Sanktionen,
      • Abfolge entsprechend der Bedeutung der zu regelnden Sachverhalte,
      • Abfolge entsprechend der Chronologie der Verfahrensabläufe bei den betroffenen Handlungsträgern,
      • Themenkomplexe nacheinander abhandeln und deutlich abgrenzen.
    • Für die Regelung ähnlicher Sachverhalte sollen in Rechtsvorschriften ähnliche sprachliche Strukturen verwendet werden. Auf diese Weise werden bestimmte Typen von Regelungen erkennbar (z. B. Begriffsbestimmungen, Verordnungsermächtigungen, Regelungen zum Geltungsbereich, Zuständigkeitsregelungen, Pflichten, Sanktionen, Übergangsregelungen).

    • Für die rechtsförmliche Gliederung von Rechtsvorschriften stehen als grundlegende Gliederungseinheit Paragrafen zur Verfügung (siehe Rn. 377 f.). Mit weiteren unter- und übergeordneten Gliederungseinheiten kann der Text stärker strukturiert werden. Werden die Möglichkeiten, den Normtext sinnvoll zu gliedern, nicht genutzt, können Verständnishürden entstehen.

      So sind beispielsweise Paragrafen mit mehr als fünf Absätzen oder Absätze mit mehr als drei Sätzen ein Indiz für eine nicht ausgereifte systematische Konzeption. Schon die „optische Kontrolle“ des Regelungstextes kann also Aufschluss darüber geben, wo systematische Schwächen bestehen.

    • Faustregeln für eine gelungene rechtsförmliche Gliederung eines Paragrafen sind:

      • Nur ein Regelungsgegenstand pro Paragraf.
      • Nur ein Aspekt des Regelungsgegenstands pro Absatz.
      • Nicht mehr als fünf Absätze pro Paragraf.
      • Nur eine Aussage pro Satz.
      • Nicht mehr als drei Sätze pro Absatz.

      Paragrafen und Absätze können mit der Gliederungseinheit Satz sowie in listenförmigen Aufzählungen mit den Gliederungseinheiten Nummer, Buchstabe und Doppelbuchstabe (in dieser Reihenfolge) weiter untergliedert werden.

      Paragrafen können in übergeordneten Gliederungseinheiten zusammengefasst werden. Diese sind in hierarchischer Reihenfolge:

      Buch
      Teil
      Kapitel
      Unterkapitel
      Abschnitt
      Unterabschnitt
      Titel
      Untertitel

      Wenn nur eine übergeordnete Gliederungsebene benötigt wird, ist die Bildung von Abschnitten üblich. Werden mehr Gliederungsebenen oberhalb oder unterhalb der Gliederung in Abschnitte benötigt, können weitere Gliederungsebenen wie folgt gebildet werden:

      • mit Gliederungseinheiten, die der Gliederungsebene Abschnitt übergeordnet sind: Kapitel (ggf. mit Unterkapiteln), Teil und Buch,
      • mit Gliederungseinheiten, die der Gliederungsebene Abschnitt untergeordnet sind: Unterabschnitt, Titel und Untertitel.
    • Zu viele Sätze in einem Absatz, zu viele Absätze in einem Paragrafen und mit Buchstabenzusätzen bezeichnete Paragrafen, Absätze oder Nummern sind zuverlässige Hinweise auf eine oft geänderte Rechtsvorschrift, die inzwischen systematische Schwächen aufweist. Solche Regelungen sollten nicht ein weiteres Mal nur punktuell geändert werden („Flickenlösung“), stattdessen sollten die betroffenen Gliederungseinheiten insgesamt überarbeitet werden. Beispielsweise sollte der Regelungsgehalt eines bereits durch viele frühere Änderungen „überladenen“ Paragrafen bei Gelegenheit der anstehenden Änderung auf mehrere Paragrafen verteilt werden.

    • Jede Gliederungseinheit vom Paragrafen an aufwärts ist mit einer Überschrift (Rn. 377 und 387 ff.) zu versehen.

      Überschriften sind Wegweiser durch das Gesetz oder die Verordnung. Sie erleichtern die Orientierung im Gesamttext, wenn sie den betreffenden Regelungsinhalt knapp umreißen. Bei der Wahl der Überschriften soll die Perspektive der maßgeblichen Adressaten berücksichtigt werden.

      Beispiel:

      Mindestalter bei Erteilung der Erlaubnis
      Problem: In der Überschrift ist bisher nicht eindeutig ausdrückt, um wessen Alter es geht: Es geht nicht um das Alter der erteilenden Person, sondern im Paragrafen werden Mindestalter-Voraussetzungen für die Personen geregelt, die eine Erlaubnis erlangen bzw. erwerben wollen.

      Lösungsmöglichkeit: Anpassung der Überschrift an die Perspektive einer maßgeblichen Adressatengruppe der Norm (Handelnde):

      Mindestalter für den Erwerb der Erlaubnis

      Für bestimmte Arten von Vorschriften sind bestimmte Formulierungen für Überschriften rechtsförmlich vorgegeben (z. B. Verordnungsermächtigung, Einschränkung von Grundrechten).

      Bereitet es Schwierigkeiten, eine treffende Überschrift zu bilden, so ist das meist ein Indiz für eine weniger gelungene Gliederung des Regelungsinhalts.

    • Mit Definitionen legt der Normgeber fest, wie wesentliche Ausdrücke in der jeweiligen Rechtsvorschrift zu verstehen sind. Diese Ausdrücke – auch solche, die aus der Allgemeinsprache stammen – werden so zu Rechtsbegriffen, die zumindest innerhalb derselben Rechtsvorschrift in der zugewiesenen Bedeutung verwendet werden.

      Es ist auch möglich, in einer Rechtsvorschrift auf die Definition eines Rechtsbegriffs in einer anderen Rechtsvorschrift Bezug zu nehmen:

      • indem der Rechtsbegriff der anderen Rechtsvorschrift verwendet wird (sog. stillschweigende Verweisung),
      • indem explizit auf die Definition in der anderen Rechtsvorschrift verwiesen wird oder
      • indem explizit auf die Definition verwiesen und der Rechtsbegriff für die Zwecke der verweisenden Rechtsvorschrift mit weiteren Merkmalen versehen wird.

      Beispiel 1:

      … unverzüglich …
      (d. h. ohne schuldhaftes Zögern; § 121 BGB)

      Beispiel 2:

      Geldwäsche im Sinne dieses Gesetzes ist eine Straftat nach § 261 des Strafgesetzbuches.

      Beispiel 3:

      Wehrübung im Sinne dieses Gesetzes ist jeder Wehrdienst nach dem Vierten Abschnitt des Soldatengesetzes mit Ausnahme des unbefristeten Wehrdienstes im Spannungs- oder Verteidigungsfall.

      Auf diese Weise lassen sich durch Definitionen Wiederholungen vermeiden und fachsprachliche Präzision erreichen. Dazu müssen Definitionen jedoch als solche erkennbar sein und bestimmten Mustern und Regeln folgen.

    • In älteren Gesetzen und Rechtsverordnungen wurden Begriffe meist bei ihrer ersten Verwendung im Text als Legaldefinition eingeführt (siehe Rn. 273). Heute werden Begriffe oft am Anfang einer Rechtsvorschrift in einem gesonderten Paragrafen „Begriffsbestimmungen“ zusammengefasst und definiert (siehe Rn. 274).

    • Definitionen sind nicht sinnvoll, wenn der fragliche Ausdruck für den Regelungsinhalt des Gesetzes oder der Verordnung nicht wesentlich ist oder in der Rechtsvorschrift nur selten vorkommt.

      Überflüssig sind auch Definitionen, die eine ohnehin klare Wortbedeutung erläutern oder die nicht präziser sind als der nicht-fachsprachliche (allgemeinsprachliche) Gebrauch des Wortes.

      Fehlbeispiel:

      Im Sinne dieser Verordnung ist

      1. „Feuerzeug“ ein zur Erzeugung einer Flamme unter Verwendung eines Brennstoffs gefertigtes Gerät, das von Hand betätigt wird und bei dem die Brennstoffversorgung, die nachfüllbar sein kann, eingebaut ist; es dient in der Regel zum beabsichtigten Anzünden insbesondere von Zigaretten, Zigarren und Pfeifen und wird vorhersehbar auch zum Anzünden anderer Materialien verwendet;
    • Auch für Definitionen gilt das Gebot der Einheitlichkeit (Rn. 258), daher darf ein in einer Rechtsvorschrift definierter Begriff im gesamten Text nur im definierten Sinn verwendet werden (vgl. Rn. 257 ff.). Der definierte Begriff muss also überall im Text durch die Definition ersetzt werden können, ohne dass sich am Inhalt der betreffenden Regelung etwas ändert und ohne dass es formal-logisch zu Unstimmigkeiten kommt. Mehrere Definitionen müssen aufeinander abgestimmt sein.

      Fehlbeispiel:

      (13) Güter sind Waren einschließlich Elektrizität, Datenverarbeitungsprogramme und Technologie.

      (23) Waren sind bewegliche Sachen, die Gegenstand des Handelsverkehrs sein können, und Elektrizität.

      Problem: Elektrizität wird als eine Teilmenge der Waren definiert, die selbst als Teilmenge der Güter definiert werden. Die explizite Nennung der Elektrizität in der Definition von Gütern ist somit nicht nur überflüssig, sondern sie führt zu einem logischen Bruch: Ersetzt man in Absatz 13 den Betriff „Waren“ durch die Definition von Waren, so lautet die Definition von Gütern: Güter sind Waren bewegliche Sachen, die Gegenstand des Handelsverkehrs sein können, und Elektrizität einschließlich Elektrizität, Datenverarbeitungsprogramme und Technologie.

      Lösungsmöglichkeit: Die beiden Definitionen werden aufeinander abgestimmt. Die überflüssige Nennung der Elektrizität in der Definition der Güter wird gestrichen:

      (13) Güter sind Waren sowie Datenverarbeitungsprogramme und Technologie.

      (23) Waren sind bewegliche Sachen, die Gegenstand des Handelsverkehrs sein können, und Elektrizität.

      Wenn ein Begriff bereits andernorts (möglicherweise auch in einem anderen Rechtsgebiet) definiert wurde, muss für das aktuelle Rechtsetzungsverfahren entschieden werden,

      • ob auf die bisherige Definition zurückgegriffen werden kann,
      • ob die bisherige Definition modifiziert werden sollte, etwa weil ein Merkmal wegfallen oder ergänzt werden soll, oder
      • ob eine gänzlich neue Definition erforderlich ist.
    • Eine Definition soll keine weitere Definition enthalten.

      Fehlbeispiel:

      (10) Einführer ist jede natürliche oder juristische Person oder Personengesellschaft, die

      1. Güter aus Drittländern ins Inland liefert oder liefern lässt und
      2. über die Lieferung bestimmt.

      Liegt der Einfuhr ein Vertrag mit einem Unionsfremden über den Erwerb von Gütern zum Zweck der Einfuhr (Einfuhrvertrag) zugrunde, so ist nur der inländische Vertragspartner Einführer.

      Problem: Die Definition für „Einführer“ enthält eine weitere Definition.

      Lösungsmöglichkeit: Für den Ausdruck „Einfuhrvertrag“ wird eine separate Legaldefinition geschaffen:

      (10) Einführer ist

      1. jede natürliche oder juristische Person oder Personengesellschaft, die
        1. Güter aus Drittländern ins Inland liefert oder liefern lässt und
        2. über die Lieferung bestimmt, oder
      2. der inländische Vertragspartner, wenn der Einfuhr ein Einfuhrvertrag zugrunde liegt.

      (11) Einfuhrvertrag ist ein Vertrag mit einem Unionsfremden über den Erwerb von Gütern zum Zweck der Einfuhr.

    • Begriffsbestimmungen definieren ausschließlich Begriffe einer Rechtsvorschrift. Sie regeln keine Sachverhalte und dürfen daher keine materiellen Regelungen enthalten.

      Fehlbeispiel:

      (15) Inländer sind

      1. natürliche Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland,
      2. juristische Personen und Personengesellschaften mit Sitz oder Ort der Leitung im Inland,
      3. Zweigniederlassungen ausländischer juristischer Personen oder ausländischer Personenhandelsgesellschaften … und
      4. Betriebsstätten ausländischer juristischer Personen oder ausländischer Personenhandelsgesellschaften …

      Zweigniederlassungen und Betriebsstätten ausländischer juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften im Inland und ausländische Zweigniederlassungen und Betriebsstätten von Inländern gelten als rechtlich selbständig. … Handlungen, die von oder gegenüber solchen Zweigniederlassungen oder Betriebsstätten vorgenommen werden, gelten als Rechtsgeschäfte, soweit solche Handlungen im Verhältnis zwischen natürlichen oder juristischen Personen oder Personenhandelsgesellschaften Rechtsgeschäfte wären.

      Problem: Im Text nach der Aufzählung werden keine Begriffe definiert. Hier werden ausschließlich materielle Regelungen getroffen, die nicht in die Begriffsbestimmungen gehören.

      Lösungsmöglichkeit: Der gesamte Text nach der Aufzählung wird aus den Begriffsbestimmungen gestrichen und in die materiellen Regelungen des Gesetzes integriert.

    • Legaldefinitionen können verschiedene Formen haben. Folgende Hauptformen haben sich herausgebildet:

      • legaldefinierter Begriff in Klammern
        Der Begriff wird innerhalb einer Regelung definiert und erscheint dort in runden Klammern.

        Beispiel:

        Das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (Anspruch), unterliegt der Verjährung.

      • typisches Satzbaumuster einer Legaldefinition
        Die Definition ist nicht in eine materielle Regelung eingebettet, sondern steht separat in einer eigenen Bestimmung. Typische Satzbaumuster hierfür sind: Ein X ist, wer y tut. oder X ist ein Z [mit den Merkmalen oder ohne die Merkmale m1, m2 …].

        Beispiel 2:

        (1) Kaufmann im Sinne dieses Gesetzbuchs ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt.

        (2) Handelsgewerbe ist jeder Gewerbebetrieb, ….


    • Begriffsbestimmungen stehen entweder am Anfang einer Rechtsvorschrift oder innerhalb einer Rechtsvorschrift am Beginn einer übergeordneten Gliederungseinheit (Kapitel, Abschnitt, …). In einem eigens dafür vorgesehenen Paragrafen „Begriffsbestimmungen“ kann so eine ganze Reihe von Begriffen für die gesamte Rechtsvorschrift oder für einen Teil davon definiert werden.

      Folgende Formen werden empfohlen:

      • eine Definition pro Absatz
        Diese Form bietet sich an, wenn Begriffe nur durch einen ganzen Satz erklärt werden können.

        Beispiel 1:

        § 3
        Begriffsbestimmungen

        (1) Staatswald im Sinne dieses Gesetzes ist Wald, der ...

        (2) Körperschaftswald im Sinne dieses Gesetzes ist Wald, der ...

        (3) Privatwald im Sinne dieses Gesetzes ist Wald, der ...

      • listenförmige Anordnung der Definitionen mit jeweils einer Definition pro Nummer
        Diese Form wird durch Doppelpunkte und Zeilenumbrüche besonders übersichtlich und bietet sich insbesondere an, wenn mehrere zu definierende Begriffe inhaltlich gruppiert werden können, ihre Definition jeweils durch Nebensätze möglich ist und keine weiteren Sätze oder Teilsätze benötigt werden.

        Beispiel 2:

        § 2
        Begriffsbestimmungen

        Im Sinne dieser Verordnung ist

        1. Bodenmaterial:
          Material aus Böden im Sinne des § 2 Absatz 1 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und deren Ausgangssubstraten einschließlich Mutterboden, das im Zusammenhang mit Baumaßnahmen oder anderen Veränderungen der Erdoberfläche ausgehoben, abgeschoben oder behandelt wird;
        2. Einwirkungsbereich:
          Bereich, in dem von einem Grundstück im Sinne des § 2 Absatz 3 bis 6 des Bundes-Bodenschutzgesetzes Einwirkungen auf Schutzgüter zu erwarten sind oder in dem durch Einwirkungen auf den Boden die Besorgnis des Entstehens schädlicher Bodenveränderungen hervorgerufen wird;
    • Die zu definierenden Begriffe können in einem Paragrafen „Begriffsbestimmungen“ nach verschiedenen Kriterien geordnet werden: danach, wann ein Begriff nach der Definition erstmals in der Rechtsvorschrift verwendet wird; nach der Bedeutung der Begriffe für die Rechtsvorschrift; nach dem Alphabet, nach logischen Zusammenhängen etc. Die Vor- und Nachteile dieser Kriterien für die Reihenfolge müssen – auch mit Blick auf die Erkennbarkeit des Prinzips für den Rechtsanwender und mit Blick auf künftige Ergänzungen – jeweils gegeneinander abgewogen werden. So ist die alphabetische Ordnung insbesondere bei sehr umfangreichen Gesetzen vorzugswürdig, weil gerade solche Gesetze in der Regel nicht linear gelesen werden und daher die Ordnung nach der Reihenfolge der Verwendung im Regelungstext nicht hilft.

    • In sprachlicher Hinsicht sind (juristische) Verweisungen Verknüpfungen von Texten bzw. Textteilen. Sie können Zusammenhänge sichtbar machen und den Regelungstext entlasten, indem z. B. Wiederholungen von Regelungsinhalten vermieden werden. Dadurch kann der Kern der Regelung hervorgehoben und das Verhältnis verschiedener Regelungen zueinander geklärt werden.

      Juristische Verweisungen können sich auf Voraussetzungen, auf Rechtsfolgen oder auch auf Begriffe aus einer anderen Regelung beziehen. Die in Bezug genommene Regelung wird insoweit zu einem Bestandteil der verweisenden Regelung. Auch andere Quellen können durch Verweisung Bestandteil einer Regelung werden.

      Für die unterschiedlichen Verweisungsarten gibt es rechtsförmlich vorgegebene Formulierungen (Rn. 94).

    • Im Interesse der Verständlichkeit der Regelung muss bei der Formulierung darauf geachtet werden, dass die Verweisung

      • inhaltlich klar und eindeutig ist (Rn. 92),
      • die Art der Verweisung erkennen lässt (Rn. 94),
      • keine weitere Verweisung enthält (Rn. 93),
      • möglichst einen Hinweis auf den Inhalt der Bezugsquelle enthält (Rn. 279).

      Wenn auf Quellen verwiesen werden soll, die nicht als Rechtsvorschrift erlassen wurden, muss im Text der Rechtsvorschrift genau angegeben werden, wo die in Bezug genommene Quelle archivmäßig gesichert in deutscher Sprache allgemein zugänglich ist (Rn. 91).

    • Durch eine Verweisung wird zwischen den in Bezug zueinander gesetzten Regelungen ein Verhältnis begründet: Vorrang bzw. Subsidiarität, Ausnahme, Analogie etc. Daher muss die Formulierung der Verweisung klar ausdrücken, welches Verhältnis zwischen den Regelungen bestehen soll.

    • Die Formulierungen „§ x bleibt unberührt“ und „vorbehaltlich des § y“ signalisieren ein bestimmtes Verhältnis zwischen den per Verweisung miteinander verknüpften Regelungen. Allerdings lässt sich dieses juristische Verhältnis der Regelungen – besonders für Laien – nicht ohne Weiteres erkennen, z. B. ob die Verweisungsnorm gegenüber der Bezugsnorm Vorrang hat (oder umgekehrt), ob beide Regelungen nebeneinander angewendet werden können oder ob lediglich deklaratorisch über etwas informiert wird. Das vom Normgeber beabsichtigte Verhältnis zwischen den in Bezug gesetzten Regelungen soll jedoch eindeutig ausgedrückt werden. Zu empfehlen ist folgender fachsprachlicher Gebrauch:

      Die Wendung „bleibt unberührt“ soll nur verwendet werden, wenn Regelungen nebeneinander anwendbar sein können.

      Beispiel:

      Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt.

      Erklärung: Die Wendung „bleibt unberührt“ weist hier darauf hin, dass jemand sich wegen fahrlässigen Handelns strafbar machen kann, wenn er nicht vorsätzlich gehandelt hat, weil er sich in einem sog. Tatbestandsirrtum befunden hat.

      Die Wendung „vorbehaltlich …“ verschafft der in Bezug genommenen Quelle einen Vorrang. Sie kann oft ersetzt werden durch eine aussagekräftigere und klare Verweisung, wie z. B. durch „es sei denn, es liegt ein Fall des § x vor“ oder „§ x geht vor“.

      Fehlbeispiel:

      (1) Aufgabe des Statistischen Bundesamtes ist es, vorbehaltlich der Regelung in § 26 Absatz 1 oder sonstiger Rechtsvorschriften, …

      Problem: Die Bedeutung von „vorbehaltlich“ bleibt unklar. Denn entweder haben die in Bezug genommenen Regelungen (§ 26 Absatz 1 oder sonstige Rechtsvorschriften) Vorrang gegenüber dieser Verweisungsnorm (§ 3 des Bundesstatistikgesetzes) oder aber Verweisungsnorm und Bezugsnormen sollen nebeneinander anwendbar sein.

      Lösungsmöglichkeiten: Das unbestimmte „vorbehaltlich“ ist durch eine sprachlich konkretere Formulierung zu ersetzen. Folgende Formulierungen sind möglich:

      • Wenn die in Bezug genommen Regelungen Vorrang haben:
        … soweit in § 26 Absatz 1 oder in anderen Rechtsvorschriften nichts anderes geregelt ist.
      • Wenn Ausgangsnorm und Bezugsnorm nebeneinander anwendbar sein sollen:
        § 26 Absatz 1 und sonstige Rechtsvorschriften bleiben unberührt.
      • Der Begriff „unbeschadet“ ist zu vermeiden, da er nicht einheitlich gebraucht wird.
    • Verweisungen werden durch einen Hinweis auf den Inhalt der Bezugsnorm „sprechender“ und damit verständlicher. Dadurch werden inhaltliche Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Regelungsbereichen deutlicher als bei „nackten“ Verweisungen, die nur die Bezugsnorm genau zitieren:

      Fehlbeispiel:

      Die §§ 169, 171a bis 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind entsprechend anzuwenden.

      Beispiel:

      Die §§ 169, 171a bis 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Öffentlichkeit, Sitzungspolizei, Gerichtssprache, Beratung und Abstimmung sind entsprechend anzuwenden.

      Der inhaltliche Hinweis kann meist durch „gemäß“ oder „nach“ mitgegeben werden.

      Beispiele:

      ein mangelhaftes Werk gemäß Absatz 1 Satz 1

      der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag

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