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Handbuch der Rechtsförmlichkeit

Teil C Stammgesetze

5 Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen

    • Adressaten einer Verordnungsermächtigung können nach Artikel 80 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes ausschließlich die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen sein. Die Bezeichnung „Bundesminister“ steht hier für die oberste Bundesbehörde, nicht für die Person, die sie leitet. Deshalb ist in der Ermächtigungsnorm als Ermächtigungsadressat das jeweilige Bundesministerium zu nennen[31].

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      [31] Beschluss des Bundeskabinetts vom 20. Januar 1993 (GMBl 1993 S. 46)

    • Es können mehrere Bundesministerien Adressaten einer Verordnungsermächtigung sein, wenn sie zum Erlass gemeinsamer Verordnungen (Rn. 639) ermächtigt werden sollen. In diesem Fall sind in der Ermächtigung die Bundesministerien in ihrer amtlichen Reihenfolge zu nennen. Diese Reihenfolge wird im Anschluss an eine Regierungsbildung oder -umbildung bekannt gegeben.

      Ermächtigungen für Verordnungen, die gemeinsam von mehreren Landesregierungen oder von der Bundesregierung und Landesregierungen oder von Bundesministerien und Landesregierungen erlassen werden, sind nicht zulässig.

    • Die Bundesministerien sind in der Verordnungsermächtigung mit ihrer amtlichen Bezeichnung anzugeben, die durch den Organisationserlass (Rn. 129) festgelegt ist.

    • Bei der Formulierung von Verordnungsermächtigungen ist das Bestimmtheitsgebot des Artikels 80 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes zu beachten. Danach müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen im Gesetz bestimmt werden. Die Anforderungen an die Bestimmtheit von Ermächtigungsnormen hängen im Einzelnen vom Regelungsgegenstand und von der Eingriffsintensität ab. So sind besonders hohe Anforderungen an Verordnungsermächtigungen zu stellen, aufgrund derer Regelungen erlassen werden, die Bürger und Bürgerinnen belasten bzw. die grundrechtsrelevante Regelungen ausgestalten. Dies gilt vor allem für das Steuerrecht und für die Fälle, in denen zum Erlass von straf- und bußgeldbewehrten Vorschriften ermächtigt wird.

      Praxistipp

      Je sorgfältiger die Ermächtigungsnorm formuliert wird, desto einfacher wird es, die darauf gestützte Rechtsverordnung zu entwerfen. Bei Schaffung der Ermächtigungsnorm soll der Inhalt der zu erlassenden Rechtsverordnung bereits klar sein.

      Optimal für das Gefüge von Gesetzes- und Verordnungsrecht ist es, die zur Ausgestaltung des Gesetzes vorgesehene Verordnung zusammen mit dem Gesetz zu entwerfen.

    • Es kann aus rechtssystematischen Erwägungen gerechtfertigt sein, verschiedene Verordnungsermächtigungen an unterschiedlichen Stellen eines Stammgesetzes oder sogar in verschiedenen Stammgesetzen zu regeln, obgleich die Regelungen in ein und derselben Stammverordnung getroffen werden sollen.

      Für diesen Fall kann eine Ermächtigungsnorm desselben oder eines anderen Gesetzes als Bezugsnorm festgelegt werden. Der Gesetzgeber ordnet dann mittels Verweisung auf eine Ermächtigungsnorm an, dass in der auf ihrer Grundlage erlassenen Verordnung weitere Regelungen getroffen werden dürfen.

      Beispiel 1:

      § 46 Absatz 8 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten:

      (8) Die Vorschriften zur Durchführung des § 191a Absatz 1 Satz 1 bis 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes im Bußgeldverfahren sind in der Rechtsverordnung nach § 191a Absatz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes zu bestimmen.

      Erläuterung: Aufgrund des Absatzes 8 kann das Bundesjustizministerium nicht nur Regelungen zur Kommunikation mit blinden oder sehbehinderten Personen im gerichtlichen Verfahren (§ 191a Absatz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes), sondern zusätzlich auch besondere Regelungen zu solcher Kommunikation im Bußgeldverfahren treffen.

      Beispiel 2:

      § 10 Absatz 3 des Abfallverbringungsgesetzes:

      (3) Die Bundesregierung wird ermächtigt, in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 7 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes Ausnahmen von der Kennzeichnungspflicht nach Absatz 1 zuzulassen. …

      Erläuterung: Infolge dessen kann die Bundesregierung nicht nur Ausnahmen von der Erlaubnispflicht für Sammler, Beförderer, Händler und Makler von gefährlichen Abfällen (§ 54 Absatz 7 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes), sondern zusätzlich auch Ausnahmen von der in § 10 Absatz 1 des Abfallverbringungsgesetzes geregelten Kennzeichnungspflicht bestimmen.

      Eine solche Konstruktion führt dazu, dass Regelungen aufgrund der verweisenden Ermächtigungsnorm entweder nur gemeinsam mit Regelungen im Bereich der in Bezug genommenen Ermächtigungsnorm in einer neuen Stammverordnung getroffen werden können oder innerhalb einer bestehenden Verordnung, die aufgrund der in Bezug genommenen Ermächtigungsnorm erlassen wurde.

      Zu den Folgen für die Eingangsformel der Rechtsverordnung siehe Teil E.

    • Der Gesetzgeber kann unter Verweisung auf eine Ermächtigungsnorm anordnen, dass eine auf deren Grundlage erlassene Rechtsverordnung auch für den Anwendungsbereich der Verweisungsnorm (entsprechend) gelten soll. Modifizierungen nur für den Bereich der Verweisungsnorm durch Rechtsverordnung sind ausgeschlossen, denn die verweisende Vorschrift ist selbst keine Ermächtigungsnorm.

      Dass Verordnungsrecht kraft Gesetzes auch auf einen anderen Bereich ausgeweitet wird, muss im Gesetzestext deutlich werden, u.a. durch eine entsprechende Paragrafenüberschrift. Dadurch wird auch der Verordnungsgeber auf die Erweiterung des Anwendungsbereichs seiner Verordnung deutlich hingewiesen und kann so bei etwaigen Änderungen der Verordnung die erforderliche Beteiligung des Federführers für die Verweisungsnorm im Blick behalten.

      Beispiel:

      §
      Entsprechende Anwendung von Verordnungsrecht

      Die auf der Grundlage des § … des …gesetzes erlassene Rechtsverordnung ist entsprechend anzuwenden.

      Eine solche Konstruktion kommt allerdings nur in Betracht, wenn der Bereich der Verweisungsnorm weitgehende Gemeinsamkeiten mit dem Bereich der Bezugsnorm aufweist, sodass z. B. für beide Bereiche dieselben Verfahrensregeln gelten können.

    • Pauschale Verweisungen auf Ermächtigungsnormen im selben oder in einem anderen Gesetz sollen unterbleiben. Wenn beispielsweise § X eine Ermächtigungsnorm (Rn. 395) ist und eine andere Vorschrift mit der Formulierung „§ X gilt entsprechend“ darauf verweist, wird nämlich nicht klar, ob durch die Verweisung eine weitere Ermächtigungsnorm geschaffen werden soll oder die Verweisung als Übertragung von Verordnungsrecht kraft Gesetzes verstanden werden soll.

    • Die Formulierung der Verordnungsermächtigung muss klar erkennen lassen, ob der Ermächtigungsadressat verpflichtet oder ob ihm ein Ermessen eingeräumt sein soll, eine Verordnung zu erlassen.

      • Pflicht
        Kein Entscheidungsspielraum bleibt dem Ermächtigungsadressaten bei Formulierungen wie „... hat durch Rechtsverordnung Bestimmungen über ... zu erlassen“. Auch Formulierungen wie „erlässt“ oder „bestimmt durch Rechtsverordnung“ drücken die Pflicht aus, von der Ermächtigung Gebrauch zu machen, denn „erlässt“ oder „bestimmt“ sind hier als imperativisch gebrauchtes Präsens zu verstehen. Auch wenn von „notwendigen“ oder „erforderlichen“ Durchführungs- und Ausführungsbestimmungen die Rede ist, ergibt sich daraus die Pflicht, eine entsprechende Rechtsverordnung zu erlassen.
      • Ermessen
        Wenn der Erlass der Verordnung in das Ermessen des Ermächtigungsadressaten gestellt werden soll, kann z. B. formuliert werden: „Das Bundesministerium ... wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ...“ oder „Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung ...“.
    • Ermächtigungsnormen sollten im Gesetz im Zusammenhang mit denjenigen Normen stehen, die durch die Verordnung näher ausgestaltet werden sollen.

      Werden mehrere Verordnungsermächtigungen geschaffen, kann es aber sinnvoll sein, sie im Gesetz an geeigneter Stelle in einem Paragrafen unter der Überschrift „Verordnungsermächtigungen“ zusammenzufassen.

    • Im Regelungstext der Ermächtigungsnorm wird das Wort „Rechtsverordnung“ und in der Paragrafenüberschrift das Wort „Verordnungsermächtigung“ verwendet. So wird eindeutig signalisiert, dass die Vorschrift eine Ermächtigungsnorm enthält.

      Beispiel:

      § 8a
      Eintragungen in das Handelsregister; Verordnungsermächtigung

      (1) Eine Eintragung in das Handelsregister wird wirksam, sobald sie in den für die Handelsregistereintragungen bestimmten Datenspeicher aufgenommen ist und auf Dauer inhaltlich unverändert in lesbarer Form wiedergegeben werden kann.

      (2) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen über die elektronische Führung des Handelsregisters, die elektronische Anmeldung, die elektronische Einreichung von Dokumenten sowie deren Aufbewahrung zu treffen, soweit ...

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